Mein Kind fährt ohne mich weg – und ich soll mich entspannen, nur wie?!

Meine Tochter fährt mit ihrer Oma eine Woche an die Nordsee. Sowas machen sie öfter mal gemeinsam ohne mich in den Ferien. Meine Mission in dieser Zeit lautet: Mich entspannen. Aber das sagt sich so leicht!

„Das kannst du gar nicht”, behauptet mein Freund, mit so einem leidenden Unterton.

Und dann sagt er immer, ich hätte „Hummeln im Hintern” und wäre gar nicht dazu in der Lage, einfach mal runterzufahren, wenn das Kind nicht da ist. Was natürlich völliger Unsinn ist. Ich weiß überhaupt nicht, was er meint.

Totaler Quatsch. Natürlich kann ich das! Und wie ich das kann!

Ihr werdet schon alle sehen – dieses Jahr werde ich in der Abwesenheit des Kindes so dermaßen tiefenentspannt sein, der Dalai Lama wird neben mir wie ein Hektiker aussehen.

Ich meine, was gibt’s schließlich Schöneres, als einfach mal kindfrei zu haben? Kein dauerndes „Maaaamaaaaa… wo ist mein (hier irgendeinen x-beliebigen Gegenstand einsetzen)?!”. Niemand, der abends stundenlang das Bad blockiert (ihre Beauty-Routine braucht eben ihre Zeit, das müssen wir doch verstehen!).

Keine morgendliche Hektik, kein Brotdosen-Vorbereiten, kein „Hast du endlich deine Sachen gepackt?!”, kein „Mama, kannst du noch mal schnell Muffins für die Projektwoche morgen backen?”, kein Hobby-Stress am Nachmittag, kein „Geh jetzt endlich mit dem Hund raus!!!”, keine nervtötende Terminkoordination, kein gar nichts.

Stattdessen Ruhe. Einfach nur herrliche Ruhe.

Jedesmal schmiede ich vorher schon Pläne, was ich mit all dieser himmlischen Zeit anfangen werde. Endlich hab ich auch mal diese Me-Time, von der immer alle reden! Endlich Yoga bis zum Abwinken, Bücher lesen, meditieren, ins Kino gehen, mich mit Freundinnen verabreden, irgendwo in der Innenstadt abhängen – crazy! Entspannen bis zum Umfallen!

Und was mache ich, wenn’s soweit ist?

  • Am ersten Tag: Mit den Fingern trommeln. Mich langweilen. Eine Stunde nach der Abfahrt bei Oma nachfragen, wo die ersten Fotos bleiben und wieso es im Whatsapp-Familienchat noch so ruhig ist. Den Standort des Kindes checken und googeln, wie das Wetter bei ihr wird. Grübeln, ob wir eigentlich eine Regenjacke eingepackt haben. Zu oft nachgucken, ob sie endlich angekommen sind. Mich beschweren, dass keiner Bescheid gegeben hat.
  • Am zweiten Tag: Morgens als erstes Whatsapp checken und enttäuscht feststellen, dass sie immer noch nichts geschrieben hat. Mich mit Fenster putzen ablenken. Und ich hasse Fenster putzen.
  • Am dritten Tag: Ihr Zimmer aufräumen, obwohl sie das vor der Abreise eigentlich noch selbst hätte machen sollen. Mich natürlich darüber aufregen, dass sie es nicht mehr getan hat. Mich anschließend noch bei meinem augenrollenden Freund über das mangelhafte Zeitmanagement der Tochter auslassen.
  • Am vierten Tag: Alte Urlaubsfotos angucken und in Erinnerungen schwelgen, während ich in ihrem Bett liege und sie furchtbar doll vermisse.
  • Am fünften Tag: Den Keller ausmisten. Ja – was?! Ich bin verzweifelt!

Und am sechsten Tag überlege ich ernsthaft, den Dachboden zu entrümpeln, bis mein Freund genug hat, mich auf dem Sofa festtackert und zwingt, nichts zu tun. Gar nichts. Wenigstens einen Tag lang, bis sie morgen wieder da ist.

Okay, ich geb’s ja zu. Mich entspannen fällt mir schwer.

Kein Wunder, da ist man an 358 Tagen im Jahr voll im Brast, und dann soll man auf einmal auf 0 runterfahren. Kann ja nicht klappen!

Es gibt aber übrigens auch eine ganz einfache Lösung für das Dilemma: Die Tochter darf einfach nie wieder alleine wegfahren. Klassenfahrten? Gestrichen. Schüleraustausche? Tabu! Urlaub mit Oma? LOL, das war einmal!

Wenn’s nach mir geht, setzt sie ab sofort einfach keinen einzigen Fuß mehr aus diesem Haus heraus. So einfach ist das. Problem gelöst! Warum bin ich da nicht früher drauf gekommen?

Ilona Utzig

Ich bin Rheinländerin, lebe aber seit vielen Jahren im Hamburger Exil. Mit meiner Tochter wage ich gerade spannende Expeditionen ins Teenager-Reich, immer mit ausreichend Humor im Gepäck. Wenn mein Geduldsfaden doch mal reißt, halte ich mich am liebsten in Küstennähe auf, je weiter nördlich, desto besser.

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