„MAMA! MAMA! MAMA! Schaaauu maaal“. Wehe, du schaust als Mama nicht SOFORT zu deinem Kind, wenn es dich ruft. Wehe, du unterhältst dich weiter mit dem Briefträger, der gerade ein verloren geglaubtes Paket vorbeibringt. Und wehe, du reagierst auch bei dem zweiten oder dritten MAMA!-Gebrüll der knapp zweijährigen Tochter oder des gleichaltrigen Sohnes immer noch nicht.
Natürlich ist es für kleine Kinder normal, dass sie Erwachsene unterbrechen. Schließlich sind sie noch klein. Und noch Kinder. Aber schon im Kleinkindalter kannst du die Weichen in Richtung eines geduldigen Umgangs miteinander stellen.
Warum es so normal ist, dass Kinder uns unterbrechen:
Sie sind impulsiv und haben schlichtweg (noch) nicht gelernt, wie man sich auf eine höfliche Art und Weise Gehör verschafft. „Entschuldige, liebe Mama, aber an diesem Punkt muss ich dich unterbrechen, denn ich habe gerade das Elefanten-Puzzle zusammengebaut.“ Ne, so läuft das nicht. Zumindest nicht, bevor die Kids ihr Interesse an zweiteiligen Elefanten-Puzzeln verlieren. Zudem wissen die Kleinen erstens nicht, wie man wartet und dass sich das zweitens lohnt.
Unsere Zwerge sind von Impulsen geleitet, die sie einfach noch nicht regulieren können. Sie denken nicht „Oh toll, der Postbote bringt das Paket, auf das Mama so lange gewartet hat. Da freue ich mich mit ihr und erzähle ihr später vom Elefanten“. Nein, sie denken „MAMA! MAMA! MAMA! Schaaauu maaal“ und meinen „JETZT SOFORT“.
Und diese Neigung zum Unterbrechen kann auch noch eine Zeitlang anhalten. Freunde erzählen, dass ihre Vorschul-Zwillinge zwar immerhin schon andere Gespräche wahrnehmen, aber dass dann daraus der Anlass zur Unterbrechung entsteht. Sich mit den Nachbarn über die nervige Baustelle auf der Autobahn zu unterhalten ist quasi die Einladung, den Erwachsenen die gesamte Bagger-, LKW- und Betonmischer-Riege vorzuführen. Und dabei deren komplette Aufmerksamkeit einzufordern.
Egal wie alt dein Kind ist, du kannst jetzt damit anfangen, es in die richtige Kommunikationsrichtung zu lenken. Hier ein paar clevere Regeln, die auch nicht allzu schwer umsetzbar sind:
1. Gehe respektvoll mit deinem Kind um
Dein Schatz macht dir – früher oder später – alles nach. Das ist deine Chance, dein Kind zu einem angenehmen Gesprächspartner zu erziehen. Rede also so mit ihm und gehe so mit ihm um, wie du es dir umgekehrt auch wünscht. Überfalle dein Kind also möglichst nie mit einer Aktion oder einem unangenehmen Thema. Gönne ihm Vorlauf, zum Beispiel indem du ihm sagst, dass ihr in fünf Minuten los müsst und es dann die Jacke anziehen soll. Das klappt besser, als wenn du mit der Jacke vor ihm stehst und direkt starten möchtest.
Gleiches gilt für das Ende vom Spielplatzbesuch und den Anfang vom Schlafengehen. Erzählt es dir gerade etwas, unterbrich es nicht, weil du etwas Anderes vorhast. Oder weil es ein Wort nicht korrekt ausspricht oder der Inhalt Unsinn ist. Solche Einwände darfst du dann anbringen, wenn dein Kind ausgeredet hat.
2. Sende die richtigen Signale aus
Um auf die Elefanten-Puzzle-Postboten-Situation zurückzukommen: Indem ich währenddessen die Hand meiner Kleinen nehme, signalisiere ich ihr: „Ich habe dich gehört, ich nehme dich wahr. Allerdings kann ich dir noch nicht die Aufmerksamkeit schenken, die du gern hättest.“ Zwar hat es ihre Ungeduld nicht am Tag besänftigt. Aber in der nächsten ähnlichen Situation schon ein wenig, und im Laufe der Zeit schafften wir es, Händchen haltend eine Minute Wartezeit zu überbrücken.
Kinder im Grundschulalter können schon eine längere Wartezeit überbrücken und akzeptieren zum Beispiel zwei (Hand-)Signale: Eine für eine kurze Wartezeit, ein zweites für längere. Letzteres zeigt ihnen, dass sie ruhig spielen gehen können und besser später noch einmal wieder kommen – solange es sich nicht um einen echten Notfall handelt und sie sofort eine Reaktion brauchen. Solche Zeichen können neben dem Händchen halten beispielsweise das feste Zusammenkneifen der Augen sein, das Victory-Symbol aus Zeige- und Mittelfinger oder ein nach hinten angewinkeltes Bein. Kinder finden es toll, auf diese Weise eine geheime Kommunikation mit Mama und Papa einzugehen.
Regel 3: Gehe behutsam vor
Klar, manchmal geht es einfach nicht anders und du musst dein Kind unterbrechen. Sei dir seiner Perspektive dabei bewusst und kommuniziere das auch so. Sätze wie „Ich sehe, dass du gerade so schön spielst, wir müssen aber trotzdem leider nach Hause gehen“ oder „Sieht nach sehr viel Spaß aus, aber ich brauche jetzt deine Hilfe, damit wir alle zusammen essen können. Zeig doch mal, wie gut du aufräumen kannst“ helfen, ein Gefühl von Verständnis zu entwickeln.
Regel 4: Bitte in der Zukunft um Geduld
Realistisch betrachtet kann es nicht gut gehen, wenn du dein Kind zum ersten Mal um Geduld bittest, wenn du sie wirklich brauchst. Daher solltest du dein Kind auf Wartezeiten vorbereiten. Erkläre ihm, dass du erst telefonieren und danach mit ihr ein Buch anschauen wirst. Oder dass du in Ruhe mit dem Papa reden willst, und es solange ein Bild malen kann. Vielleicht findet es sogar eine eigene Beschäftigung, biete ihm Optionen an. Sobald ihr fertig seid, holt ihr euren Schatz zum gemeinsamen Spielen ab. Natürlich ist es zwingend notwendig, dass ihr das dann auch tut. Dein Kind muss sich auf deine Aussagen verlassen können, dass es später Aufmerksamkeit bekommt. Dann klappt’s auch mit seiner Geduld.
Regel 5: Sei selbst geduldig
Niemand kann erwarten, dass dir dein zweijähriges Kind von Heute auf Morgen nicht mehr ins Wort fällt. Lernen, was richtig und falsch ist, was sich gehört und was nicht, ist ein Prozess. Gib deinem Schatz ausreichend Zeit dafür. Irgendwann wird sich auch dein Kind mit einem „Entschuldige, Mama“ an dich wenden und dir dabei die Hand auf den Arm legen.
Und es muss obendrein lernen, dass du trotzdem nicht immer sofort reagieren kannst. So kann es später einfacher damit umgehen, wenn es in der Schule oder auch in der Arbeitswelt nicht sofort gehört werden kann. Es lernt, dass Warten eine normale Reaktion ist, und nichts damit zu tun hat, dass es als Person abgelehnt wird. Vermeide es, deinem Kind mit einem „Sei still“ den Mund zu verbieten oder gar zu bestrafen. Solche Reaktionen führen selten zum Ziel, aber immer zu Frust. Und dann hast du irgendwann einen riesigen Elefanten im Raum, der sich nicht mehr wegdiskutieren lässt…