Mein Mama-Alltag frisst mich auf. Seid bitte nicht sauer auf mich!

„An einem Tag wie heute bin ich froh, dass er sich dem Ende neigt.

Die Ärzte haben bei unserem Sohn Lenny kurz nach der Geburt starken Reflux diagnostiziert, weshalb er oft sehr unruhig ist. Egal ob tagsüber oder nachts: Sein Bauch quält ihn oft extrem.

Mein ganzer Tag richtet sich danach, wie er trinkt und wie es ihm dabei geht. Und das seit sechs Monaten. Mein Mann arbeitet als Notfallsanitäter lange Schichten, weshalb ich oft von morgens bis spätnachts alleine bin.

Der Versuch einer morgendlichen Routine sieht so aus: Ich stehe als Erste auf, suche meine am Abend zuvor irgendwo abgelegte Brille, um anschließend Frühstück für den kleinen Wurm vorzubereiten:

Seine allerliebste 200ml-Flasche mit zwei Löffeln Andickpulver, das er wegen seines Refluxes braucht. Der Mix soll sieben Minuten ziehen, bis er sie trinkt.

Anlässlich des knurrenden Magens unseres Sohnes muss die Morgentoilette in genau dieser Zeit und wie immer im Affenzahn vollzogen werden:

Zähne putzen, dabei Pipi machen und den verwuschelten Zopf – der inzwischen eher der Brutstätte eines Rabenweibchens gleicht – nebenbei zu einem nützlichen Düddel formen.

Geschafft! Und nun ab zum Baby, das mich voller Vorfreude auf sein erstes Tagesmahl empfing.

Jetzt fehlt nur noch die frische Pampers und schon kann es losgehen.

Fast am Ziel meines morgendlichen Marathons angekommen, fällt unserem Sohn beim Neu-Pampern ein, dass er doch noch Pipi machen muss – weil es sich ja so gut ohne den davor liegenden Schutz anfühlt.

Na super! Wortlos betrachtete ich das Spektakel und ließ den Dingen im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Wickeltisch ihren Lauf – bevor ich Lenny wieder in die Augen schaute, und er mich angrinste, als würde er genau wissen, was gerade in Mamas Kopf vor sich geht.

So nahm der Tag seinen Lauf, denn insgesamt vier Mal pullerte er heute quer über den Wickeltisch auf meinen jeweils kurz zuvor gewechselten Pullover und weitere fünf mal mussten wir ihn erneut umziehen, da sich sein Reflux wieder in vollstem Ausmaß blicken ließ und er sich über sich erbrach.

Den Rest des Tages verlebten wir zwei draußen – Baby ab in den Kinderwagen und laufen, so weit uns unsere Füße zu tragen vermochten. Obwohl er abends hundemüde war, fiel es ihm schwer in den Schlaf zu finden. Er lag weinend auf meinen Arm und war unzufrieden mit sich und der Welt.

Für mich laufen meine Tage momentan unter dem Motto „Bewältigung“. Bewältigung der schmerzhaften Bauchschmerzen, der Anpassungsschwierigkeiten unseres Sohnes, seiner Unruhe – alles erschwert durch Reflux und Blähungen.

Das Schwierigste ist immer noch das Gefühl, dabei allein zu sein.

Kennt ihr das, wenn einige Menschen in eurem Umfeld plötzlich nicht mehr so präsent sind, wie vor der Geburt eures Kindes?

Wenn man, so wie wir, ein temperamentvolles Baby hat, das all der Aufmerksamkeit, Liebe, Energie und Kraft bedarf, so dass man abends froh ist, seine Ruhe zu haben.

Die Verständnislosigkeit und Intoleranz gegenüber uns, da ich mit meinem Kind weniger flexibel bin als Mütter mit ihren Anfängerbabys, macht alles noch stressiger.

Ja, ich weiß, es ist momentan schwierig mit uns. Ich meldete mich in den letzten Monaten wenig zurück und gab wenig Lebenszeichen. Das lag aber vor allem daran, dass ich oft die Empathie unserer Freunde vermisste für meine Situation mit so einem temperamentvollen Sprössling.

Und an den guten Tagen hätte ich mich sehr über Besuch gefreut, aber dann war das natürlich alles sehr kurzfristig.

Jeden Tag bin ich damit beschäftigt, das Wohl meines Sohnes, dessen bisheriges Leben eher schwierig ist, in den Vordergrund zu stellen, mir weniger Gedanken um den plötzlichen Kindstod zu machen und einen Weg zu finden, ihm seine Tränchen von den Wangen zu wischen.

Wenn er fremdelt, dann fremdelt er, und ich will ihn dann nicht seinen Ängsten aussetzen, indem ich mit ihm von Haus zu Haus fahren – unabhängig davon, wie sehr ich mir auch so eine Abwechslung wünschen – vor allem für Lenny.

Wenn er schlecht drauf ist, dann beruhige ich ihn lieber, anstatt Besuch zu empfangen, für den wir ohnehin keine Zeit haben.

Wenn man dann doch mal irgendwo auftaucht, dann wird man meist mit dem Hinweis empfangen (wenn man sich nicht im Vorfeld bereits selbst dafür entschuldigt), dass auf der linken Schulterseite des Pullovers eine Ladung von Lennys Retouré sein Unwesen treibt. Vom Anblick her könnte man an dieser Stelle auch denken, ich hätte unter einem Taubenbaum gestanden; wohingegen der Geruch eher dem einer gequetschten Banane gleicht – gekoppelt mit einem Hauch von Magensäure.

Ja, es ist da, und ja, es kommt noch viel mehr dazu.

Die sozialen Kontakte kommen oft und leider viel zu kurz, aber ich habe niemanden um uns herum vergessen, ich zähle immer noch auf unsere Familie und Freunde – besonders in dieser anstrengenden Zeit.

Also, bitte, vergesst uns auch nicht!“

Foto: privat

Mona, 28, aus Nordrhein-Westfalen ist seit August 2017 Mutter eines temperamentvollen Sohnes, wie sie selbst sagt. In ihrem Blog Planvoll-planlos erzählt sie von ihrem oft schwierigen Alltag, um anderen Mamas in der gleichen Situation Mut zu machen.

Tamara Müller

Als süddeutsche Frohnatur liebe ich die Wärme, die Berge und Hamburg! Letzteres brachte mich vor sieben Jahren dazu, die Sonne im Herzen zu speichern und den Weg in Richtung kühleren Norden einzuschlagen. Ich liebe die kleinen Dinge im Leben und das Reisen. Und auch wenn ich selbst noch keine Kinder habe, verbringe ich liebend gerne Zeit mit ihnen.

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