„Wir sind auf dem Rückweg von einer Taufe. Im Auto schläft unsere Tochter Ida, 1, ein. Es ist halb acht, eine gute Zeit zu schlafen. Ida macht seit zwei Monaten keinen Mittagsschlaf mehr.
Emil, 3, geht um neun ins Bett. Alles ruhig.
Die erste Nacht
Um zwei Uhr wacht Ida auf. Sie ist hellwach. Ich setze mich neben sie, mache bewusst das Licht nicht an, versuche, ihr mit leisen Worten und Summen klar zu machen, das definitiv noch kein Morgen ist. Ida ist das alles ziemlich egal.
Um drei Uhr gehe ich mit ihr ins Spielzimmer. Wir lesen Bücher. Ich würde mir so gerne einen Kaffee machen, aber wenn Ida dann noch einmal einschläft, dann bin ich wach und ärgere mich.
Meine Erkenntnis: Ida kann nachts viel besser alleine spielen als tagsüber. Vier Uhr: Ida schläft in meinen Armen wieder ein. Fünf Uhr: Emil weckt mich, um mir zu berichten, dass er ganz alleine aufs Klo gegangen ist. „Toll“, murmele ich. „Kann ich was trinken?“ ch stehe auf und gebe ihm ein Wasser. Der ganze kleine Körper strotzt vor Energie. Der, denke ich, schläft sicher nicht wieder ein. Immerhin: Ich wage mich jetzt an einen ersten Kaffee.
Der erste Tag:
Ich bin Fotografin und im Büro warten diverse Foto-Aufträge auf mich, die abgearbeitet werden müssen. Aber mein Kopf würde so gerne kurz auf dem Schreibtisch schlafen. Und Bildbearbeitung ist ziemlich ermüdend.
Emil hat keinen Kindergarten und fährt mit meinem Mann Paul noch schnell den internationalen Führerschein beantragen. Die Laune lässt zu wünschen übrig. Wenig Schlaf macht sich bemerkbar. Den Nachmittag nutzen wir, um unseren Garten zu bepflanzen. Aus unserem alten Kindergarten, der dicht gemacht hat, haben wir mehrere Autoladungen Pflanzen mitgenommen. Etwas von dort wird bei uns weiter wachsen. Das fühlt sich gut an. Im Garten merkt auch niemand die schlechte Laune – die wandert so von einem Familienmitglied zum nächsten.
Die zweite Nacht
Ein Uhr: Ida ist hellwach. Oh, nein. Die erste Stunde sitzen Paul und ich abwechselnd neben ihr. Dann merke ich, dass sie ganz heiß ist. Um halb drei nehme ich sie mit zu uns ins Bett. Sie ist immer noch hellwach. Ständig steckt sie beide Hände in den Mund. Ich spekuliere auf Zähne. Um vier schläft sie ein. Um sechs steht Emil vor dem Bett. „Heute gehe ich mit in Idas Kindergarten!“ ruft er begeistert. Ja, denke ich, aber nicht morgens um sechs. Sondern um neun!
Der zweite Tag
Idas Fieber ist wieder weg. Ein Glück.
Zurück im Büro. Es gibt Fotoaufträge, die man verschieben kann, und es gibt Fotoaufträge, die von Events abhängig sind. Die kann man nicht verschieben. So einer ist heute. Aber erst mal beide Kinder abgeben. Und Diverses für Emil packen. Noch freut er sich, aber ich weiß nicht, wie lange er es spaßig findet, seinen Tag mit einer Horde Einjähriger zu verbringen. Außerdem braucht er Regenzeug und Gummistiefel. Ida ist müde. Das wundert mich nicht. Ich bin es auch. Ich hole mir einen Kaffee und fahre los.
Elf Uhr, Stille, ich fotografiere in einer Kirche, als mein Handy surrt. Mist. Es ist Idas Kindergarten. Sie hat Fieber. Ob ich sie abholen kann. Eigentlich gerade so ganz und gar nicht! Ich muss diesen Auftrag irgendwie zu Ende bringen. Kurze Gespräche mit dem Auftraggeber. Ich kann gegen Mittag gehen. Ich habe ein schlechtes Gewissen. Meinem Auftraggeber gegenüber und meiner Tochter gegenüber noch mehr.
Heute Abend kommen Freunde zum Essen. Ich fahre also noch schnell beim Supermarkt vorbei und kaufe ein. Schlange an der Kasse. Ich fühle mich mies. Um ein Uhr halte ich die heiße Ida in den Armen. Emil will noch bleiben. „Das geht nicht,“ sage ich. Emil findet schon, dass das noch geht. Zum Glück ruft eine befreundete Mama an und bietet an, auf Emil aufzupassen. Ich fahre Emil also dahin und dann mit Ida nach Hause.
Während sie schläft, verstaue ich die Lebensmittel im Kühlschrank, räume die Wohnung auf und decke den Tisch. Als Ida aufwacht, stecke ich sie in den Fahrradanhänger und fahre die vier Kilometer zu Emil. Bei den Freunden sitzt Emil in der Badewanne.
Als ich nach Hause komme, stehen unsere Freunde schon vor der Tür.
Die dritte Nacht
Ein Uhr, Emil träumt. Ich höre ihn laut rufen: „Ich möchte auch mal das Wasser kippen!“ Und „Das hatte ich zuerst!!“ Wenn er so weiter träumt, weckt er Ida. Paul geht hin. Versucht, ihn zu wecken. Gibt ihm ein Wasser. „Du hast nur geträumt,“ beruhigt er ihn. „Ach so,“ murmelt Emil. Zehn Minuten später geht es jedoch weiter.
Wir sitzen abwechselnd neben ihm am Bett. Wir wecken ihn vorsichtig. Tragen ihn noch mal auf die Toilette.
Mann, bin ich müde. Um drei Uhr ist endlich Ruhe. Da wacht Ida auf. An ihrem Blick sehe ich sofort die ewige erwartungsvolle Frage: Ist schon Tag? Nein.
Es dauert eine Stunde, bis sie wieder einschläft.
Der dritte Tag
Weil Ida am Vortag Fieber hatte, dürfen wir sie sie heute nicht in der Kita abgegen. Ich muss aber mit Emil zur Kindergarteneingewöhnung. Sachen zum Arbeiten nehme ich mir optimistisch mit. Natürlich wird das nichts. Und ich bin so unsagbar
müde. Paul bleibt bei Ida zu Hause. Die ist natürlich wieder topfit.
Um die Mittagszeit gehen Emil und ich nach Hause. Zum Glück sind die Bauarbeiter im Garten und wechseln das Regenrohr aus. Das reicht, um beide Kinder zu unterhalten. Ich schlafe in der Hängematte ein. Wie soll ich denn bloß arbeiten, mit zwei Kindern und dieser unsäglichen Müdigkeit?
Die vierte Nacht
Paul und ich nehmen uns vor, abends ganz viel zu arbeiten. Aber am Abend sieht das schon ganz anders aus. Ich falle um halb zehn ins Bett. Um kurz vor elf Uhr ist Ida wieder wach. Meine Beine sind zu schwach aufzustehen.
Um ein Uhr steht Emil vor meinem Bett. „Kann ich ein Wasser haben?“ Klar. „Kannst du bei mir mit im Bett schlafen?“ Klar. Ich krieche mit ins Hochbett. Dummerweise haben wir in den letzten Tagen immer mal wieder Dinge am Fußende deponiert. Stapel mit Wolldecken, Kuscheltiere, Bücher. Das stört Emil nicht, denn in einem zwei Meter langen Bett ist für einen ein Meter langen Emil noch genug Platz. Meine Füße aber stoßen gegen Bücherstapel.
Um zwei Uhr ziehen wir zusammen ins Familienbett um. Da ist es doch irgendwie schöner. Emil wühlt und tritt. Paul und ich kriechen beide bis an den Rand. Noch währenddessen denke ich völlig erfreut: Wie gut, dass Ida heute schläft!
Der vierte Tag
Morgens um sechs Uhr steht Ida vor mir. Zeit, den Tag zu beginnen. Und diesmal wirklich Arbeit zur Eingewöhnungszeit in de Kita mitnehmen.
Schlafen, denke ich, ist manchmal ja auch überbewertet. Es wird auch wieder anders werden. Denke ich. Und hoffe ich.
Miriam Boettner ist Fotografin, Bloggerin und Autorin. Sie hat zwei Kinder, Emil und Ida. Und einen Mann: Paul. Auf ihrem Blog „Emil und Ida“ schreibt sie über ihr Familienleben. Wenn sie nicht in ihrer Heimatstadt Hamburg ist, ist sie mit ihren Kindern auf Abenteuerreise durch Deutschland: „Kleine Landstreicher“.