„Meine Mutter schützte mich nicht – darf sie trotzdem Oma sein?“

Familie sollte Liebe und Geborgenheit bedeuten – doch was, wenn genau das fehlt? Wenn die Mutter nicht glaubt, die Großmutter wegschaut und ein Kind allein mit seinem Schmerz bleibt. Manche Wunden heilen nie ganz, und gerade wenn ein neues Leben beginnt, klopft die Vergangenheit oft unerwartet wieder an. So war es auch bei Nora*, die hier ihre Geschichte erzählt.

An dieser Stelle ein Hinweis: In ihrer Geschichte wird sexueller Missbrauch und Gewalt thematisiert.

„Ich habe kein gutes Verhältnis zu meiner leiblichen Familie. Als Baby war ich nikotinabhängig, weil meine Mutter während der gesamten Schwangerschaft ununterbrochen geraucht hat. Meine Geschwister und ich waren damals im Heim, weil meine Mutter sich nicht gut um uns gekümmert hat. Irgendwann durften wir wieder zu ihr zurück.

Mein Vater starb, als ich etwa 10 bis 12 Jahre alt war.

Kurz darauf hatte meine Mutter einen neuen Freund, der mich sexuell missbraucht hat. Eines Tages erwischte sie uns, weil sie früher von der Arbeit nach Hause kam. Ich erklärte ihr die Situation – doch sie glaubte mir nicht. Stattdessen warf sie mich raus. Zum Glück konnte ich bei einer Freundin unterkommen, die ich seit meiner Kindheit kenne. Ich habe dann auch bei ihr gewohnt und sehe sie heute als meine Pflegemutter an.

Später wollte meine Mutter mehrfach mit mir sprechen, in der Hoffnung, dass ich zugebe, alles gewollt zu haben. Ihr Freund hatte ihr eingeredet, wir hätten eine ‚Liebesbeziehung‘. Als sie die Wahrheit erfuhr, rastete sie aus und schlug meinen Kopf durch eine Glastür. Sie hatte generell eine sehr schlechte Wutkontrolle – bei Streitigkeiten mit meinen Brüdern flog oft Geschirr durch die Wohnung.

Das ist natürlich nur eine gekürzte Version.

Ich könnte tausend Seiten darüber schreiben, was genau passiert ist, aber das würde den Rahmen sprengen. Einige Jahre hatte ich keinen Kontakt zu ihr. Dann kam sie mit dem Wunsch auf mich zu, den Kontakt wieder aufzubauen. Ich sagte ihr, dass ich es versuchen könnte – unter der Bedingung, dass wir die Vergangenheit ruhen lassen, nicht mehr darüber reden und dass ich ihren damaligen Freund nie wieder sehen muss. Das lehnte sie ab. Meine Oma stellte sich komplett auf ihre Seite.

Nun bin ich selbst schwanger. Plötzlich meldet sich meine Oma über Instagram und fragt, ob ich sie zur Uroma mache. Jahrelang hatte sie keinen Kontakt zu mir. Meine Mutter hat sich zwar ab und zu gemeldet, aber ich habe nicht geantwortet, weil ich keinen Kontakt mehr will.

Jetzt plagt mich mein Gewissen.

Sollten sie mein Kind kennenlernen dürfen? Meine Mutter war für mich keine gute Mutter, und meine Oma hat mich ebenfalls nie wirklich unterstützt. Sie haben einen Täter in Schutz genommen, anstatt für mich da zu sein.

Mein Kind wird mit meiner Pflegemutter eine liebevolle Oma haben, die es jetzt schon von ganzem Herzen liebt. Eigentlich sprach alles dagegen, meine Mutter oder meine Oma in unser Leben zu lassen – aber trotzdem ließ mich dieses Gefühl eine zeitlang nicht los… Mittlerweile habe ich aber den Entschluss gefasst, den Kontakt nicht zuzulassen.


Liebe Nora (*echter Name ist der Redaktion bekannt), vielen Dank, dass wir deine berührende und ermutigende Geschichte erzählen durften. Wir wünschen dir und deiner Familie alles Liebe für die Zukunft!

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Lena Krause

Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach!

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Hannah
Hannah
12 Tage zuvor

Liebe Nora,

Deine Erlebnisse haben mich sehr berührt, du bist durch eine schwere Zeit gegangen. Es ist einfach furchtbar, wieviel Gewalt du erlebt hast.

Ich kann deinen Wunsch nach einer intakten Familie, nach einer guten Beziehung zu deiner Mutter so gut nachvollziehen.
Aber ich würde dir nicht empfehlen, den Kontakt zu suchen.
Die Gefahr, dass du enttäuscht wirst ist einfach riesig. Und es gibt ein hohes Risiko, dass du deine Tochter gefährdest.
Das klingt unglaublich hart, aber ich möchte ehrlich zu dir sein.
Ich hatte selbst Pflegekinder und kenne diesen Wunsch so gut, aber ich habe immer wieder erlebt, dass die leiblichen Eltern diesen Bedürfnissen nicht gerecht werden konnten und immer wieder enttäuscht wurden.
Das ist alles andere als fair. Es ist grausam und ungerecht.
Aber auf der einen Seite ist dein Bedürfnis nach einer Mama in deinem Leben, nach einer Oma für deine Tochter.
Auf der anderen Seite, ist deine Mutter die dich auf vielfache Weise verletzt hat, sie hat dich nicht geschützt und du hast schwere Gewalt erlebt.
Pass auf dich auf. Ich hoffe, dass du dein Glück findest. Du bist stark und es gibt so viele Formen von Familie – du scheinst mit deiner Pflegemama einen sehr liebevollen Menschen in deinem Leben zu haben. Ich schicke dir viel Kraft, schütze deine Tochter und dich selbst!