Meine Tochter ist fünf Jahre alt. Und schon Profi mit unserem Tablet. Sie schaltet es ein, sie kann das Ladekabel einstecken, sie wischt den Startbildschirm weg und findet, was sie sucht: Youtube. Die App bietet ihr dann natürlich gleich das Gewünschte an, schließlich ist das Kind bei uns meist die einzige Nutzerin des Tablets. Auch mit dem TV kennt sie sich (leider) gut aus.
Wenn Peppa Wutz, eine Playmobil-Familie oder ein Hund namens Bali durch unser Wohnzimmer tönen, versinkt mein Mädchen in einer anderen Welt. Ich finde es nicht immer gut, dass sie das anscheinend so glücklich macht. Und ich weiß ja auch, dass zu viel TV & Co. nicht gut für Kinder sind.
Trotzdem schlich sich das Tablet und TV in unser Leben. Es fand seine Lücke, wenn meine Tochter absolut nicht alleine spielen wollte und ich absolut keine Zeit hatte. Es passierte, als ich dringend für einen Auftraggeber einen Text fertig schreiben musste, als ihr kleiner Bruder sehr nähebedürftig war oder als meine Tochter krank war. Situationen, in denen das Tablet für Entspannung sorgte. So muss ich es leider sagen.
Nun ist es da, das Kind wird älter und wir lassen sie ab und zu ihre Filmchen gucken. Nur, wenn wir der Meinung sind, dass es genug ist, ist es mit der Entspannung vorbei. Dann diskutiert sie, weint und hält mit wutverzerrtem Gesicht das Gerät fest. Es auszumachen und wegzulegen scheint ihr körperliche Schmerzen zu bereiten.
Warum das so ist? Die französische Psychologin Isabelle Filliozat erklärt es verständlich. Wer einen Film schaut, ist mit dem Kopf ausschließlich in dieser Welt. Das gilt für Kinder gleichermaßen wie für Erwachsene. Das Gehirn produziert in diesem Moment einen Botenstoff, der Schmerzen lindert. Wird diese Produktion jäh unterbrochen, tut das weh.
So geht es auch meiner Tochter, wenn ich plötzlich vor ihr stehe und verlange, dass sie das Tablet aus macht. Auch wenn sie noch fünf Minuten weiter schauen darf, das Problem ist dann das Gleiche. Weil sich ihr Gehirn in diesen fünf Minuten nicht auf den baldigen Schluss einstellen kann.
Aber Madame Filliozat hat dafür die Lösung: Man muss eine Brücke bauen, erklärt sie. Eine Brücke zwischen der Welt, in der sich das Kind gerade befindet und der realen Welt, in die es zurück kommen soll. Eines vorweg: Es klappt wirklich.
Wie man diese Brücke baut? Durch Anteilnahme. Wie die Psychologin es erklärt hat, habe ich es ausprobiert und mich einfach mal neben meine Tochter gesetzt, während sie mit dem rosa Zeichentrickschwein Peppa Wutz Geburtstag feierte. Ich saß still daneben und habe ihr den Kopf gestreichelt. Dann habe ich kurz kommentiert, wie lustig die Geräusche der Tiere in dem Film sind.
Und da war die Brücke. Erst einmal reagierte meine Tochter nicht. Aber nach einer halben Minute guckte sie mich an und zeigte dann grinsend auf den Bildschirm, wo das Schwein gerade besonders laut grunzte. Sie war mental nicht mehr 100 Prozent im Film, sondern schon etwas bei mir. Und freute sich sehr, dass ich ihr Interesse an ihrer Lieblingsfigur teilte. Und so zog ich sie ganz langsam zurück in unsere echte Welt. Als der Clip zu Ende war, sagte ich noch, wie lustig das war und ich bin gespannt, was das Schwein als Nächstes erlebt. Aber für heute ist Schluss.
Es klappt meistens ganz gut. Mittlerweile schaut sie gerne kleine Filme über Sachthemen im TV. Sie erfährt, wo das Brot herkommt oder wie Kinder in Indien leben. Das finde ich auch ganz interessant und gucke gerne mal mit. Nun will meine Tochter unbedingt im nächsten Urlaub nach Indien. Uff. Mal sehen, ob es auch einen Film über Kinder an der Ostsee gibt.