Auch wenn wir Mütter nicht gerne über dieses Thema reden, es ist sehr wichtig. Wir müssen darüber reden und uns dazu zwingen es nicht zu einem Tabu-Thema zu machen: Inkontinenz nach der Geburt.
Keine Frau sollte nur für sich leiden und denken, dass sie mit dem Problem alleine ist. Denn das ist sie ganz bestimmt nicht. Rund 30% aller Mütter leiden nach der Geburt unter Blasenschwäche. 30% aller Mütter – was für eine Zahl.
Eine Mama, die betroffen war, hat sich getraut und uns ihre Geschichte erzählt:
„Meine Geschichte fängt bei der Geburt meines Sohnes an, denn vorher empfand ich meinen Beckenboden als sehr normal. Ich hatte auch während meiner Schwangerschaft keinerlei Probleme. Ich musste zwar etwas häufiger als sonst auf die Toilette, aber das geht bestimmt jeder Schwangeren so. Meine Geburt änderte dann wirklich alles und mit ihr begann auch meine Leidensgeschichte.
Ich hatte mitten in der Nacht einen Blasensprung und bin morgens, als ich das Fruchtwasser bemerkte, sofort in das von mir ausgesuchte Krankenhaus gefahren. Ab dann ging es Schlag auf Schlag. Ich hatte schnell starke Wehen – und kam damit meinem kleinen Wunder immer näher. Die Hebamme freute sich mit mir über die unkomplizierte Geburt.
Bis auf einmal die Herztöne meines Kindes immer schwächer wurden. Und plötzlich waren sie sogar gar nicht mehr zu hören. Ich bekam Panik und brach völlig unkontrolliert in Tränen aus.
Und als die anwesenden Ärzte auch sichtlich nervös wurden, war es mit mir ganz vorbei. Ich war am Ende und voller Sorge um mein Baby.
Die einzige, die in dieser Situation Ruhe bewahrte, war die Hebamme. Sie versuchte mich zu beruhigen und atmete sich mit mir durch jede Wehe. Währenddessen beschloss einer der Ärzte, das CTG Gerät direkt am Kopf meines ungeborenen Kindes zu befestigen. Er musste also mit seinen (dicken und riesigen) Fingern in mich hinein. Ich schrie und schrie.
Und dann war es auch schon vorbei. Der Herzschlag meines Babys war wieder zu hören und nach fast zehn Stunden konnte ich mein Kind auch endlich überglücklich in den Armen halten. Mein Sohn war geboren und ich hatte es geschaft. Ich war gerissen und hatte unerträgliche Schmerzen, aber ich hatte es geschafft.
Dachte ich. Denn die Nachgeburt musste noch entfernt werden, die sehr fest bei mir saß. Mit starkem Drücken, Schieben und Ziehen wurde sie mir entfernt. Wenn ich daran zurückdenke, würde ich sagen, dass das sogar schmerzhafter war, als mein Kind zu bekommen.
Nach der Geburt hielt ich mich nicht lange im Krankenhaus auf und verbrachte die nächsgen Tage im Wochenbett zu Hause. Alles ging wieder seinen ’normalen‘ Weg.
Nur eine Sache fühlte sich für mich nicht normal an: Ich hatte auch Wochen nach der Geburt ständig das Gefühl auf die Toilette zu müssen. Ich spürte immer einen Druck auf der Blase.
Ich saß ziemlich oft auf der Toilette. Ob etwas kam, oder nicht.
Und irgendwann bei einem Spaziergang war es dann auch soweit.
Ich machte mir zum ersten Mal in die Hose.
Wir waren gerade erst zur Tür heraus, als ich wieder diesen Druck spürte. Ich dachte mir noch: „Ja, ja, da kommt eh nichts. Immer dieses blöde Gefühl“. Aber Pustekuchen! Da kam etwas und zwar nicht nur ein paar Tropfen. Und ich konnte den Urin nicht halten.
Und es ging leider so weiter. Ich habe zwar darauf geachtet, noch häufiger auf die Toilette zu gehen, aber ich habe mir dauernd in die Hose gemacht.
Einmal war es sogar besonders peinlich. Ich war mit meinem Kind auf einem Spielplatz und wollte danach unbedingt noch in einem Supermarkt gehen.
Auf dem Weg zum Supermarkt war ich gefühlt 100 Mal auf diversen Toiletten (Restaurants, Cafes…). Aber kaum hatte ich den Supermarkt betreten, musste ich schon wieder. Und keine zehn Minuten später, war es auch schon wieder zu spät.
Es lief aus mir heraus. Mitten in der Öffentlichkeit. Ich schämte mich in Grund und Boden.
Ich fing danach an, unter meiner Blasenschwäche extrem zu leiden. Ich bekam einen richtigen Knacks. Ich bin nicht mehr Bus oder Bahn gefahren und bin immer nur ganz kurz aus dem Haus gegangen.
An einen gemütlichen Spaziergang mit meiner kleinen Familie war nicht mehr zu denken. Und leider hatte niemand Verständnis für mich und meine Situation. Ganz im Gegenteil, mein Umfeld verhöhnte mich sogar.
Ich hörte Sprüche wie: „Du bist nicht die erste Frau, die ein Kind bekommen hat. Stell dich nicht so an“.
Oder: „Du hast ’nur‘ ein Kind bekommen“.
Oder: „Du bist schlimmer als dein eigenes Kind“.
Viele meinte auch, ich würde mir meine Inkontinenz nur einbilden und alles wäre nur eine Kopfsache. Selbst mein Freund lachte mich aus.
Irgendwann habe ich meinen ganzen Mut zusammen genommen und bin zu meinem Frauenarzt gegangen. Ich erzählte ihm alles und er überwies mich in ein Krankenhaus, wo meine Blase untersucht wurde. Die Ärzte dort meinten, alles sei in Ordnung und schickten mich wieder zurück zum Frauenarzt.
Ich kam mir vor, als ob mich niemand ernst nehmen würde.
Bei meinem zweiten Frauenarzt-Termin kamen wir auf das Thema „Rückbildung“ zu sprechen. Mein Arzt fragte mich, ob ich am Rückbildungskurs teilgenommen habe und ich verneinte. „Muss man das?“, fragte ich zurück.
Mein Arzt starrte mich in diesem Moment förmlich an und streckte mir sofort jede Menge Infomaterial zum Lesen entgegen. Außerdem überwies er mich zu einem Physiotherapeuten.
Ein Jahr lang machte ich Übungen und ging regelmäßig zur Rückbildungsgymnastik.
Mit der Zeit wurde meine Blasenschwäche immer weniger. Die Rückbildungsgymnatik hat mir geholfen und mich quasi ‚gerettet‘.
Und heute bin ich, nach fast sieben Jahren nach der Geburt, komplett gesund.
Ich weiß, dass es einer frischgebackenen Mutter aufwendig erscheint, zur Rückbildung zu gehen. Aber bitte liebe Mamas, macht das! Es gibt sehr viele tolle Möglichkeiten, die man immer durchführen kann. Auch mal zwischendurch, unterwegs. Zu Hause auf dem Sofa, in der Küche, auf der Toilette – lasst euch kompetent beraten.
Und bitte, bitte, lasst euch von niemandem runter ziehen.
Von meinem damaligen Freund habe ich mich übrigens schnell getrennt.“