Dies ist die bewegende Geschichte einer Mama aus unserer Community. Sie möchte anonym bleiben, der Name ist der Redaktion bekannt.
„Als ich den Vater meines Kindes kennenlernte, war ich 26 und er 23 Jahre alt. Wir arbeiteten damals in derselben Firma. An eine Beziehung mit ihm war für mich eigentlich gar nicht zu denken. Er war mir irgendwie einfach zu jung. Doch er umwarb mich hartnäckig und so gab ich schließlich nach. Nie dachte ich, dass ich wegen ihm mal obdachlos werden würde, so gut wie alles anfing.
Als wir acht Monate zusammen waren, sprach er das erste Mal darüber, dass er sich ein Kind mit mir wünschte. Ich selbst wollte noch lange keins. Lieber wollte ich in meinem Beruf weiterkommen. Ich verhütete also weiter mit der Pille und das Thema war erst einmal vom Tisch.
Etwa ein Jahr später merkte ich jedoch, dass ich ungeplant und trotz Pille schwanger war. Das Schicksal hatte meine Pläne durchkreuzt.
Langsam aber deutlich wendete sich während der Schwangerschaft dann das Blatt in unserer Beziehung. Mein Freund, der sich ein Kind gewünscht hatte, distanzierte sich immer mehr von der Tatsache, dass er bald Vater sein würde.
Ihm war es gleichgültig, welches Kinderwagenmodell oder welchen Wickeltisch wir anschaffen sollten. Auch finanziell beteiligte er sich nicht an den Vorbereitungen für unser Baby.
Als ich im sechsten Monat schwanger war, fing ich mir einen heftigen Magen-Darm-Virus ein. Nichts ging mehr und ich lag flach. Damals wohnten wir noch nicht zusammen. Doch statt bei mir zu bleiben, mich zu unterstützen und ein wenig zu pflegen, wartete er lieber bei sich zuhause, bis meine Krankheit vorüber war. Er wollte sich nicht anstecken!
Einen Monat vor dem Entbindungstermin zogen wir in eine gemeinsame Wohnung. Hochschwanger richtete ich sie ganz allein für uns ein. Nur meine Mutter und gute Freundinnen halfen mir. Von meinem Freund kam nichts.
Im März wurde schließlich unser Sohn geboren. Zwar war mein Freund bei der Geburt dabei, doch eine Hilfe war er nicht. Stattdessen beschwerte er sich die ganze Zeit, dass es so lange dauern würde und ärgerte sich laut darüber, dass es im Kreißsaal keinen Fernseher gab. Es war schrecklich.
Nach der Geburt ging es so weiter. Unterstützung bekam ich nur von meiner Mutter und meinen Freundinnen. Der Kindsvater zog sich immer mehr zurück und zeigte keinerlei Interesse an seinem Sohn. Immer wieder klagte er, wie anstrengend und nervig das Baby sei. Wir stritten heftig deswegen und es wurde immer schlimmer.
Als mein Sohn drei Monate alt war, hielt ich es nicht mehr aus. Ich beendete die Beziehung. Natürlich führte auch das zu einem schlimmen Streit und so kam es, dass er mich mit unserem Kind aus der Wohnung warf. Er bestand darauf, dass er die Wohnung auf keinen Fall verlassen werde. Schließlich wolle ich mich ja von ihm trennen.
Ich war durch die Streiterei der letzten Wochen, durch die Enttäuschung über sein Desinteresse und durch die kräftezehrende Anfangszeit mit einem Neugeborenen so mürbe geworden, dass ich einfach gegangen bin. Ich hatte keine Kraft übrig, um mit ihm um die Wohnung zu kämpfen. Nichts ging mehr.
Da stand ich also. Obdachlos mit einem drei Monate alten Baby auf dem Arm.
Wir kamen dann eine Woche lang bei meiner Mutter unter. Sie wohnte in einer winzigen Wohnung, doch sie machte uns Platz, so dass ich von dort aus nach einer neuen Bleibe suchen konnte.
Das Amt war mir keine große Hilfe. Ich bliebe offiziell obdachlos und bekam kein einziges Wohnungsangebot und auch keine finanzielle Hilfe, denn dafür hätte ich eine Wohnung haben müssen. Die Katze biß sich also in den Schwanz.
Doch meine Schwester kam mir zu Hilfe. Beziehungsweise eigentlich ihr Freund. Die beiden wohnten getrennt, doch ihr Freund war bereit, mir und meinem Baby seine Wohnung zur Verfügung zu stellen. Er wohnte in der Zeit ausschließlich bei meiner Schwester.
Wir dachten damals, es würde sicher nur einen Monat dauern, bis sich eine Wohnung über die Stadt finden lässt. Falsch gedacht. Ich bekam, wie gesagt, kein einziges Angebot. Dabei hätte ich alles dankbar angenommen.
Es vergingen Wochen und Monate, in denen ich obdachlos war. Ich fühlte mich wie eine totale Versagerin. Ich hatte so gut wie kein Geld und hungerte, damit es meinem Sohn an nichts fehlte.
Die Wohnungssuche, die ich ohne Hilfe der Stadt natürlich fortsetzte, war einfach nur frustrierend. Die Reaktionen, wenn ich sagte, ich sei alleinerziehend, waren immer gleich. „Oh, alleinerziehend. Nein da kann ich mir ja nicht sicher sein, dass ich meine Miete auch bekomme.“ Es war so schrecklich, so dass ich seelisch bald vollkommen am Boden war.
Auch die Trennung und die ganze Vorgeschichte zerrten noch immer an meinen Nerven. Ich litt so sehr, dass ich schließlich einen Psychologen aufsuchte. Ich kam einfach nicht damit klar, wie jemand sein eigenes Kind so sehr ablehnen konnte. Es machte mich fertig.
Durch die Therapie lernte ich nach und nach, damit klar zu kommen, dass es einfach Menschen gibt, die ihr eigenes Kind nicht lieben können und kein Interesse haben. Doch es war ein langer Weg, bis ich akzeptieren konnte, dass der Vater nur drei Kilometer weg wohnt und seinen Sohn nicht sehen will.
Auch jetzt ist der Kontakt zu ihm sehr spärlich. Zwar hat er eigentlich jede Woche ein bis zweimal Umgang, doch er hält sich nur selten an die Termine. Meist liegen mehrere Wochen dazwischen, so dass mein Sohn seinen Vater gar nicht mehr erkennt.
Ich traue mich auch nie, die beiden allein zu lassen. Mein Exfreund beschäftigt sich kaum mit ihm. Stattdessen spielt er lieber mit dem Handy. Auch scheint er in letzter Zeit oft Alkohol vor unseren Treffen zu trinken, zumindest riecht er häufig danach.
Doch zurück zu meiner damaligen Situation. Denn es war nicht nur die Wohnungssuche und die seelische Belastung, die an meinen Nerven zerrte. Ich erlitt in dieser Zeit zu allem Übel auch noch einen schweren Bandscheibenvorfall, der operiert werden musste, weil ich vor Schmerzen kaum noch gehen konnte.
Auch mein Sohn war nicht sehr pflegeleicht. Er weinte viel, vor allem nachts. Außerdem schlief er nur schwer ein, brauchte oft bis zu drei Stunden. Ich war schon froh, wenn er pro Tag auf acht bis neun Stunden Schlaf kam, was eigentlich immer noch viel zu wenig ist für so ein kleines Baby. Inzwischen besteht der Verdacht, dass ihm das Schlafhormon Melantonin fehlt, weswegen wir demnächst in eine Schlafklinik gehen.
Doch das war noch immer nicht alles, was wir in dieser Zeit durchstehen mussten. Es kam bei meinem Kleinen noch eine schwere Bronchitis dazu, die zu einer akuten Atemnot führte, wegen der wir ins Krankenhaus kamen. Außerdem wurde bei ihm eine Fußfehlstellung diagnostiziert, die sich nur mit Hilfe von Schienen korrigieren ließ.
Die Schicksalsschläge schienen einfach kein Ende zu nehmen.
Zum Glück standen mir meine Familie und meine Freundinnen immer bei. Ihnen konnte ich mein Leid klagen, sie hörten zu, auch wenn ich eine Geschichte zum tausendsten Mal erzählte.
Ohne sie hätte ich diese Zeit nicht überstanden. Wenn ich mich wie eine Versagerin und die schlechteste aller Mütter fühlte – und das war sehr oft – bauten sie mich auf, sagten, ich mache das toll und würde es schaffen.
Auch mein kleiner Sohn, sein Lachen und seine Lebensfreude spendeten mir immer wieder Kraft, Trost und neuen Mut, weiterzumachen. Wenn mich mein Kleiner umarmte oder mir ein Bussi gab, vergaß ich für einen Moment alle Sorgen und mein Leben war perfekt. Diese kleinen Augenblicke haben mich so oft gerettet, wenn ich nicht mehr ein noch aus wusste.
Und dann, nach sieben langen Monaten, war ich endlich nicht mehr obdachlos. Ich fand schließlich über Freunde durch Zufall eine günstige Wohnung. Sogar die Kosten wurden mir vom Sozialamt abgenommen.
Endlich konnte ich aufatmen.
Seitdem geht es wieder bergauf. Ich gehe weiterhin in die Therapie und sie tut mir wirklich gut. Die Schlafklinik wird uns hoffentlich bald auch mit unseren Schlafproblemen helfen. Und mein Arbeitgeber hat mir zugesichert, dass ich nach den drei Jahren Elternzeit ganz flexibel und nach meinem Bedarf wieder einsteigen kann. So kann ich heute endlich wieder getrost in die Zukunft blicken.
Auch wenn die letzten 12 Monate die schlimmsten waren, die ich je durchstehen musste – sie haben mir meinen Sohn geschenkt. Und deshalb war das schrecklichste auch gleichzeitig das wichtigste Jahr in meinem Leben, und wird es immer bleiben.“