Das Internet ist voll mit Content über Kinderwunsch, Schwangerschaft, Geburten und das Leben als Mama. Und auch über Abtreibungen, ein Thema, das mit all dem unweigerlich verbunden ist.
Doch ein Video einer Abtreibung – das findet man selten bis gar nicht.
Und ich finde, man weiß auch gar nicht genau, ob man „sowas“ sehen möchte.
Dabei gibt es für Abtreibungen viele Gründe und die Entscheidung für oder gegen ein Baby trägt jede Frau selbst. Immer noch mit einem schlechten Image behaftet, ist sind Schwangerschaftsabbrüche doch ein großes und wichtiges Thema.
Viele Frauen, die die schwere Entscheidung treffen und sich gegen das Kind in ihrem Bauch entscheiden, schämen sich dafür.
Weil es für eine Abtreibung von vielen Seiten Kritik hagelt.
Das weiß auch Emily Letts. Die 25-jährige hat als Beraterin für Frauen, die abtreiben wollen, gearbeitet und weiß, wie viel Angst die Frauen vor einem Stigma und auch vor dem Eingriff selbst haben. Emily hatte eine Ausbildung zur Doula gemacht und sich später als Abtreibungsdoula spezialisiert: „Ich war noch nie zuvor politisch in Bezug auf Abtreibungsrechte gewesen, aber die Idee, Frauen bei einer Abtreibung zu helfen, sie zu unterstützen und ihnen zu versichern, dass sie immer noch wunderbar und schön sind, fand großen Anklang bei mir.“
Nun war sie selbst ungewollt schwanger.
Und fand sich viel zu jung für ein Baby. Gegenüber der amerikanischen Cosmopolitan erzählte sie über den Moment, in dem sie ihren positiven Schwangerschaftstest in den Händen hielt: „In dem Moment, in dem eine Frau nach unten schaut und diese beiden rosa Linien sieht und nicht erwartet, sie zu sehen, ist es, als würde die Zeit gleichzeitig implodieren und explodieren. Du bist in diesem Tornado gefangen, der dir den ganzen Atem in den Lungen saugt.“
Sie wusste sofort, dass sie eine Abtreibung haben würde.
„Ich wusste, dass ich nicht bereit war, auf ein Kind aufzupassen. Der Typ war nicht an meiner Entscheidung beteiligt.“ Emily hatte nicht verhütet: „Ich bin Sexualerzieherin und ich liebe es, über Geburtenkontrolle zu sprechen. Vor dieser Erfahrung erschreckte mich die hormonelle Empfängnisverhütung wegen Komplikationen, von denen ich von Freunden gehört hatte – Gewichtszunahme, Depressionen usw. Also verfolgte ich meinen Eisprungzyklus und hatte keine langfristigen Partner. Ich dachte ich wäre in Ordnung. Aber es passieren Dinge. Ich bin schwanger geworden.“
Emily erklärt, dass ihre Patientinnen sie häufig fragten, ob sie ihre Gefühle nachvollziehen könne, ob sie eine Abtreibung gehabt hatte. „Ich war es gewohnt zu sagen: ,Ich hatte noch nie eine Abtreibung, aber …` Während ich schwanger war und auf meine Abtreibung wartete, dachte ich: Moment mal, ich muss das nutzen.“
Sie sagt, dass es drei Möglichkeiten für eine Abtreibung im ersten Trimester gibt: Eine medizinische Abtreibung per Tablette, eine chirurgische Abtreibung, während der man in Vollnarkose ist und eine chirurgische Abtreibung mit örtlicher Betäubung, während der man wach sind. Nach Emilys Erfahrung ist die letztgenannte Möglichkeit die, vor der Frauen am meisten Angst haben.
Und genau deswegen wählte sie sie auch.
„Ich hätte die Pille nehmen können, aber ich wollte die machen, vor der Frauen am meisten Angst hatten. Ich wollte zeigen, dass es nicht beängstigend ist – und dass es so etwas wie eine positive Abtreibungsgeschichte gibt. Es ist meine Geschichte.“
Entstanden ist schließlich dieses Video, dass Emily im Anschluss auf ihrem YouTube-Kanal online stellte:
(Für alle, die sich unsicher sind, ob sie diese Bilder anschauen können: Das Video zeigt nur Emilys Gesicht während des Eingriffs, der Arzt und die OP selbst werden nicht gezeigt.)
Außerdem spricht Emily im Video darüber, warum sie diesen Eingriff hat vornehmen lassen und wie sie sich danach fühlt.
Gegenüber Cosmopolitan sagt sie: „Es gab eine Frau, die mir mitteilte, dass sie in dieser Woche eine Abtreibung hatte und von Schuldgefühlen geplagt wurde. Ihr Freund nannte sie einen Mörder, aber sie sagte, sie erholte sich gut und schätzte das Video. Eine andere Frau erzählte mir, dass sie eine Fehlgeburt hatte und dass sie aufgrund meines Videos das Gefühl hatte, mit mir darüber sprechen zu können. All diese Dinge strömten aus Frauen heraus.“
Natürlich gab es aber auch eine Menge hasserfüllter Kommentare zu dem Video.
„Als ich es auf YouTube veröffentlichte, stellten Abtreibungs-Gegner es in ihre Nachrichtensendungen. Und so bekam ich: ,Du bist ein Nazi`, ,Du hast es verdient zu sterben`, ,Du hast dein Baby getötet.` So viel blinder Hass, ohne zu wissen, wer ich bin oder worum es mir geht.“
Bis heute steht Emily hinter ihrem Video. „Ich weiß, dass es Frauen gibt, die große Reue empfinden. Ich habe die Tränen gesehen. Trauer ist ein wichtiger Teil des Prozesses einer Frau, aber was ich in meinem Video wirklich ansprechen wollte, ist Schuld. Unsere Gesellschaft bringt diese Schuld hervor. Wir atmen es aus allen Richtungen ein. Sogar Frauen, die in ihrer Entscheidung für eine Abtreibung völlig fest in die Klinik kommen, sagen, dass sie sich schuldig fühlen, weil sie sich nicht schuldig fühlen. Obwohl sie zu 110 Prozent wissen, dass dies die beste Entscheidung für sie ist, setzen sie sich unter Druck, sich schlecht zu fühlen.“
Was sagt ihr zu diesem Video, oder vielmehr zu der Idee, die dahinter steht? Könnt ihr Emily verstehen oder geht sie einen Schritt zu weit, indem sie diese intime Situation zeigt?