„Original Play“ hört sich in der Theorie nach einer guten Sache an. Dabei erlauben Erwachsene – zertifizierte „Original Play“-Trainer – Kindern, mit ihnen zu raufen. Sie rangeln miteinander, dürfen Grenzen austesten. In einem geschützten Raum sollen Kinder sich so körperlich ausprobieren dürfen, Aggressionen abbauen, erfahren, wie stark sie sind. Körperkontakt ist dabei natürlich eine Voraussetzung, wie das bei Kämpfen, seien sie noch so spielerisch, eben der Fall ist. Die Kinder springen auf den Erwachsenen, man schlingt Arme und/oder Beine umeinander, rollt zusammen auf der Matte.
Doch in Wirklichkeit soll das alles sehr oft gar nicht so spielerisch sein, wie der Verein und Gründer Fred Donaldson das eigentlich vermitteln wollen. Verschiedene Institutionen warnen inzwischen dringend davor, dieses Konzept in KiTas anzubieten.
Körperliche Nähe mit Fremden
Grund dafür ist genau diese Intimität, die von Erwachsenen oft ausgenutzt wurde, wie ein Bericht von rbb sagt. Dort berichteten Eltern, dass ihre Kinder von teilweise massiven sexuellen Übergriffen während „Original Play“ erzählten. So habe „ein Mann“ einem Kind „den Penis in den Po gesteckt“.
Schon im vergangenen Jahr gab es solche Vorwürfe. In KiTas in Hamburg und Berlin sei es in mehreren Fällen zu sexueller Gewalt gekommen.
Ein Vater berichtet in einer Reportage des rbb über seine Tochter: „… dass sie auch von der Erzieherin irgendwo anders hingebracht worden ist. Da haben sie dann mit andere erwachsenen Männern gespielt und das hat sie nicht gemocht. Die anderen Kinder, die mitgekommen sind, auch nicht. Ein anderes Mal hat meine Tochter mir auch gezeigt, wie der Haupterzieher, der Leiter von der Kita die Nase in ihren Po gesteckt hat und das er das auch bei anderen Kindern gemacht hat.“
Strafanzeige läuft ins Leere
Es sind schwere Vorwürfe, die Eltern stellen Strafanzeige wegen sexueller Gewalt an mindestens fünf Kindern. Doch die KiTas sind uneinsichtig, glauben Kindern und Eltern nicht, obwohl ein Kind seine Aussage auch vor einer Ärztin wiederholt. Am Ende wurden die Ermittlungen eingestellt, weil die Aussagen nicht glaubwürdig gewesen seien.
Trotzdem gibt es seither Warnungen vor dem Konzept, teilweise von höchster Stelle und in massiven Worten: „Für mich ist das eine Einladung zur Übergriffigkeit an Kindern“, so die Trauma-Expertin Michaela Huber gegenüber dem ARD-Magazin.
Der österreichische Kinderpsychiater Karl-Heinz Brisch forderte gegenüber der Presse: „Dieser Verein müsste sofort verboten werden, weil er in einer hochkritischen, undifferenzierten Weise Körperkontakt in einer geschützten Situation im Kindergarten zu Kindern sucht und das in einer vollkommen unkontrollierten Art und Weise.“ Tatsächlich gibt es beim österreichischen Bildungsministerium keine Liste oder ähnliches, auf der alle Kinderbetreuungseinrichtungen zu finden wären, in denen „Original Play“ angeboten wird.
Keine Kontrolle der Instruktoren
Denn die „Trainer“ sind tatsächlich einfach nur Menschen, die einen Workshop von Fred Donaldson besucht haben. Jeder, der möchte, kann sich für 250 Euro zu einem Instruktor ausbilden lassen und das „Spiel“ danach selbstständig in Kindergärten und KiTas anbieten. Polizeiliches Führungszeugnis müssen Teilnehmer keines vorlegen und auch sonst herrscht keinerlei Kontrolle darüber, wer sich fortan mit fremden Kindern auf der Matte herumrollt.
Burghard Dregger, ein Berliner CDU-Innenpolitiker, spricht sich darum nun für ein Verbot von „Original Play“ in Berliner KiTas aus. Außerdem fordert er eine Wiederaufnahme der Ermittlungen.
Verbot von „Original Play“ gefordert
Auch die Berliner Bildungsverwaltung warnt vor dem Konzept. Es sei besonders bei „jüngeren Kinder“ als kritisch anzusehen, weil es „zu Grenzüberschreitungen kommen könnte“.
Ähnlich äußerte sich auch das bayrische Staatsministerium gegenüber der Polit-Sendung „Kontraste“: „’Original Play‘ hat in unseren Kindereinrichtungen nichts zu suchen.“
Der Gründer und Lehrer von „Original Play“, Fred Donaldson (76), der keinerlei pädagogische Ausbildung hat, hat sich bereits zu den Vorwürfen geäußert. Er wies alles zurück und er wisse von keinen konkreten Fällen des Missbrauchs. „Ob es passieren kann? Theoretisch nein. Das ist ja eine andere Denkweise: Wer jemanden missbraucht, kann die Berührungen, die ich unterrichte, nicht gebrauchen“, sagte er gegenüber der österreichischen Nachrichtensendung ZIB2.