Erstes Aufatmen bei vielen Eltern: Nach wochenlangem Spagat zwischen Kinderbetreuung und (bestenfalls) Homeoffice öffnen viele Kitas langsam wieder für mehr Kinder. Doch während die meisten Bundesländer auf eine schrittweise Öffnung setzen, ist Sachsen vorgeprescht. Seit dem 18.5. können dort alle Kinder wieder in die Kita kommen. Das sorgt allerdings bei den Erziehern für heftige Kritik und bei vielen Eltern für ein neues Zeit-Problem.
Sachsen geht bei den Kitas seinen eigenen Weg
Mit den neuesten Lockerungen der Corona-Maßnahmen stand fest: Jetzt dürfen auch Kitas und Schulen endlich wieder öffnen – natürlich mit der nötigen Vorsicht. Eine einheitliche Regelung für ganz Deutschland gibt es wieder einmal nicht. Das heißt, die einzelnen Bundesländer dürfen die Regeln selbst festlegen. Die meisten haben sich dafür entschieden, in kleinen Schritten zur Normalität zurückzukehren. Das heißt, die Kinder dürfen nach Altersstufen gestaffelt nach und nach wieder in die Kitas kommen.
Sachsen hat einen komplett anderen Weg gewählt: Hier stehen die Kitas seit dem 18. Mai wieder allen Kindern offen. Statt auf eine Begrenzung der Kinderzahl setzt die Landesregierung hier auf ein besonderes Hygienekonzept. Das bedeutet, die Kinder werden in festen Gruppen betreut, die Erzieherinnen dürfen nicht wechseln, Gemeinschaftsräume dürfen nur nacheinander genutzt werden, Eltern müssen Mundschutz tragen und schriftlich bestätigen, dass ihre Kinder gesund sind.
Getrennte Gruppen bringen Kitas und Erzieher an ihre Grenzen
Das Konzept stößt nicht bei allen auf Begeisterung: So warnt der Sächsische Erzieherverband vor einer „Überlastung der Erzieher durch Mehrarbeit und Überstunden“, wie focus.de berichtet. Besonders die Vorgabe, die einzelnen Gruppen streng voneinander zu trennen, würde viele Kitas an ihre personellen Grenzen bringen.
Wenn alle Vorgaben eingehalten werden sollen, müssten viele Kitas Schichtarbeit für ihre Mitarbeiter einführen. Sobald ein Erzieher oder eine Erzieherin ausfalle, müssten die Kollegen Überstunden machen – denn ein Wechsel zwischen den Gruppen sei ja nicht mehr möglich. Außerdem habe natürlich auch nicht jede Kita ausreichend Räume zur Verfügung.
Auch für die Kinder ist die Situation eine Belastung
Das gleiche befürchtet auch ein Erzieher, der seinem Ärger über die schnelle Kita-Öffnung auf Twitter Luft gemacht hat. Paul R. Landmann arbeitet nach eigenen Angaben seit sieben Jahren als Erzieher – und fühlt sich komplett im Stich gelassen. Die festen Gruppen sieht er zwar als notwendig an, befürchtet aber, dass sie für die „Dienstpläne den Kollaps“ bedeuten.
Liebes Internet, Liebe Eltern,
Sicher sind Sie erleichtert über die Möglichkeit, Ihre Kinder wieder in die Kita zu bringen. Damit Sie wissen, was auf Sie (und uns) zukommt, hier ein kleiner Servicebeitrag von mir. (1/24)
— Paul R. Landmann (@p_landmann) May 14, 2020
Und auch für die Kinder hätte er sich eine Lösung gewünscht, die mehr ihren Bedürfnissen entspricht. Nach dieser langen Zeit würden viele Kinder eine Art zweite Eingewöhnung brauchen – aber Mama und Papa dürfen die Kita nicht betreten. Aktuell dürfen Eltern ihre Kinder nämlich nur direkt an der Tür abgeben, und zwar mit Mundschutz. Trösten oder auch ein Abschiedskuss sind so nur schwer möglich. Selbst der Mittagsschlaf könnte zum Problem werden, denn alle Kinder müssten zur gleichen Zeit schlafen – oder eben auch nicht.
„Kurzum, alles, was wir als ErzieherInnen über gute frühkindliche Pädagogik in unserer fünfjährigen Ausbildung gelernt haben, wird ab nächster Woche per Handstreich weggewischt“, schreibt Paul R. Landmann.
„Die Trennung der Gruppen scheitert schon auf der Toilette“
Nicht nur viele Erzieher sehen die neue Regelung in Sachsen mit Sorge, auch aus der Politik gibt es Kritik: Die sächsische Fraktion der Linken bezeichnet die Öffnung der Kitas als Spiel mit dem Feuer. Die strikte Trennung der einzelnen Kita-Gruppen (und natürlich auch Schulklassen) würde schon auf der Toilette scheitern.
Auch die schriftliche Bestätigung der Eltern über den Gesundheitszustand ihres Kindes halten die Politiker für sinnlos. Denn nicht alle Menschen, die an Corona erkranken, zeigen auch Symptome. Das heißt, ein Kind kann völlig gesund erscheinen, trotzdem mit Covid-19 infiziert sein – und das Virus in der Kita weitergeben.
Verkürzte Öffnungszeiten lassen viele Eltern verzweifeln
Aber auch bei vielen Eltern in Sachsen folgte auf die Erleichterung darüber, dass die Kitas wieder öffnen, schnell Ernüchterung. Denn durch die strengen Maßnahmen und Einschränkungen kommt es bei vielen Kitas zu Einschränkungen bei den Öffnungszeiten. Das heißt, auch wenn ein Kind normalerweise von 8 bis 15 Uhr betreut wurde, ist das aktuell in vielen Fällen nicht möglich. Besonders für Eltern, die besonders früh oder besonders spät arbeiten, ist das ein Problem. Denn sie können die Betreuung ihrer Kinder nach wie vor nicht mit ihren Arbeitszeiten vereinbaren.
Wie sieht es denn bei euch aus: Können eure Kinder inzwischen wieder in die Kita? Hat sich dort viel für sie geändert? Und wie kommen die Kleinen mit der Situation klar? Erzählt doch mal!