Es gibt wenige Ereignisse im Leben, die so einschneidend sind wie eine Fehlgeburt. Dabei ist diese Art von Tragödie eine, die so viele Familien betrifft. Alleine nach dem ersten Trimester gehen Statistiken von 10 bis 15 Prozent aus. Im ersten Trimester, so schätzt Christian Albring, Vorsitzender des Berufsverbands der Frauenärzte, sind es 30 bis 40 Prozent. Das bedeutet, dass jede dritte Frau eine Fehlgeburt verkraften muss.
Es sind erschreckende Zahlen, aber noch schlimmer ist, dass hinter jeder eine Frau, eine Familie, steht, die mit diesem Verlust leben muss.
Das bedeutet auch, dass jeder von uns jemanden kennt, der eine Fehlgeburt erlitten hat, und mit dem Gefühl der Ohnmacht konfrontiert ist. Im einen Moment freut man sich noch auf ein Baby, ein neues Leben, macht sich Gedanken über Windeln, Beikost, Pubertät, und im nächsten Moment ist das alles schlagartig vorbei.
Was sage ich dann? Sage ich überhaupt etwas? Wie kann man einer lieben Freundin, Schwester, Bekannten helfen?
Die Antworten auf diese Fragen haben einige Betroffene schon viel diskutiert. Herausgekommen sind ganze Listen mit Sätzen, die man bitte, bitte nicht sagen soll, denn sie helfen nicht, im Gegenteil.
Diese fünf Sätze haben sich dabei als absolute No-Gos herauskristallisiert:
1. Wenigstens….
Alle Sätze, die mit „wenigstens“ anfangen oder dieses Wort beinhalten, möchte man in dieser Situation nicht hören. „Wenigstens geht es deinen anderen Kindern gut.“ „Wenigstens weißt du jetzt, dass du schwanger werden kannst.“ „Wenigstens bist du noch jung und kannst es nochmal probieren.“ „Wenigstens war es noch früh in der Schwangerschaft“. All das ist gemein und schmerzvoll, weil es das Gefühl des Verlustes herabwürdigt. Es bedeutet, dass die Fehlgeburt ja irgendwie doch noch eine gute Seite hatte. Und die hatte sie nicht. Ganz sicher. Niemals. Ende der Geschichte.
2. Vielleicht war etwas nicht in Ordnung.
Mit wem? Mit mir? Das sind die Fragen, die im Kopf einer Frau sofort auftauchen. Schuldgefühle sind normal, doch man sollte auf keinen Fall etwas sagen, dass diese bekräftigen oder nähren könnten. Es gibt manche Gründe, warum es zu Fehlgeburten kommt, die man kennt, und ganz viele, die man nicht kennt. Aber es war niemals die Schuld der Frau! Es war die Schuld von niemandem!
3. Das passiert ganz oft.
Richtig. Aber das heißt nicht, dass es für die Einzelne (dadurch) leichter wird, sondern nur, dass man sie in einen riesigen Topf mit allen anderen wirft. Gemein und unpassend.
4. Du weißt nicht, wofür es noch gut ist.
Und nochmal: Es gibt keine gute Seite bei einer Fehlgeburt. Es ist fürchterlich und unnötig und niemand will hören, dass dieser Schmerz irgendeinen Sinn haben soll. Übrigens zählt auch „Gottes Plan war eben ein anderer“ zu den Dingen, die man nicht sagen soll. Jemandem, der in Not ist, sein eigenes Glaubenssystem aufzudrängen, ist nicht hilfreich.
5. Ich verstehe, wie du dich fühlst.
Wenn man selbst eine Fehlgeburt hatte, darf man so etwas vielleicht, aber auch nur vielleicht, sagen. Wenn nicht: niemals. So etwas kann nur verstehen, wer diese Situation selbst erlebt hat. Und doch fühlt jede betroffene Frau anders.
Was man stattdessen sagen sollte?
„Es tut mir leid, dass du so einen Verlust erleiden musst.“ Man sollte den Schmerz ernst nehmen, und vermitteln, dass es in Ordnung ist, zu leiden und dass sie jedes Recht dazu hat.
Worte, die von Herzen kommen, helfen mehr als Standard-Phrasen. Außerdem wichtig: Hilfe, eine Schulter und ein offenes Ohr anbieten, denn besonders in schweren Zeiten braucht man jemanden, der immer für einen da ist und manchmal auch einfach mit anpackt.
Oder auch (ist mir passiert) von meiner Schwägerin zu hören bekommen das ihre Fehlgeburt schlimmer als meine gewesen sei. Das ist auch ein Schlag in Fresse:-(
Ganz ehrlich – ich würde dringend empfehlen die Betroffene immer direkt zu fragen, was sie braucht und welchen Umgang sie damit wünscht.
Ich hatte dieses Jahr 2 Aborte. Einen gegen Ende des ersten Trimesters und im Anschluss einen ganz frühen direkt nach dem positiven Test. MIR PERSÖNLICH hat das Wissen, dass frühe Fehlgeburten und vor allem Frühstaborte sehr häufig sind, sehr geholfen. Und ich fand es FÜR MICH selbst auch hilfreich zu wissen, dass die allermeisten frühen Fehlgeburten darauf zurückzuführen sind, dass tatsächlich mit dem Erbgut oder der Zellteilung etwas nicht in Ordnung war.
Die erste Fehlgeburt hat mich schon etwas aus den Socken gehauen, wenn auch ohne unfassbare Trauer. Bei der zweiten, sehr frühen, war ich aber tatsächlich dankbar, dass mein Körper das so schnell erkannt und erledigt hat.
Es ist nicht schön, wenn eine Schwangerschaft so endet. Und wie Frauen empfinden, ist höchstindividuell verschieden. Wenn ihr damit als Freunde, Familie oder Angehörige konfrontiert seid – fragt danach wie ihr reagieren sollt.
Für mich waren diejenigen Reaktionen am besten, die Anteilnahme gezeigt haben und mich das Ganze haben so verarbeiten lassen, wie es für mich richtig war. Diejenigen Reaktionen, die von „etwas ganz Schlimmem“ oder einem „tragischen Schicksalsschlag“ gesprochen haben, waren für mich persönlich die Unpassendsten. Weil sie mir einerseits das Gefühl gegeben haben selbst mit meinem eher pragmatischen Empfinden „falsch“ zu sein. Und ich das Bedürfnis hatte die anderen trösten zu müssen. Und auch wenn ich die Fehlgeburten recht gut weggesteckt habe – direkt danach wollte ich einfach nur in Ruhe gelassen werden, die Kraft jemand anderen zu trösten habe ich kaum aufbringen können.
Dem stimme ich nicht ganz zu: „Das passiert ganz oft“ und „Ich verstehe, wie du dich fühlst“ fand ich in der Situation wichtige Sätze. Über Fehlgeburten wird immer noch viel zu wenig gesprochen. Als Betroffene hat man oft das Gefühl, alleine dazustehen mit diesem Erlebnis. Rundherum nur Geburtsanzeigen, runde Bäuche, Kinderwagen. Für mich war es wichtig zu sehen, dass das auch für andere nicht nur selbstverständlich ist.
[…] Ihr ungeborenes Kind zu verlieren, ist ein traumatisches Erlebnis für jede Frau. Oftmals gesellt sich zu der unfassbaren Trauer über die Fehlgeburt noch ein Schamgefühl, das Gefühl, dass man mit niemandem darüber sprechen kann. […]