Vor einigen Jahren ist eine wissenschaftliche Studie von einer israelischen Soziologin erschienen, in der sie mit 23 Müttern sprach, die bereuten, Mutter geworden zu sein. Nicht, dass wir uns falsch verstehen, diese Mütter lieben ihre Kinder, aber sie würden sich rückblickend dagegen entscheiden, Kinder zu bekommen.
Jeder der sagt, „das man weiß doch vorher, worauf man sich da einlässt“, dem sage ich: nein, weiß man eben nicht.
Man hat eine vage Vorstellung, aber das tatsächliche Ausmaß wird einem erst bewusst, wenn man so einen Hosenscheißer im Arm hält.
Kinder sind das Paradoxon schlechthin: einerseits sind sie die Krönung des eigenen Egoismus; denn wie könnte man besser den persönlichen Narzissmus feiern als in einem kleinen „Abziehbild“, das man auch noch nach eigenen Vorstellungen erziehen kann?
Andererseits ist es aber natürlich eben auch ein Stück weit Selbstaufgabe, das Investieren von sehr viel Energie und Lebenszeit, von materieller Investition einmal völlig abgesehen.
Und genau das macht es so spannend, hier das richtige Maß zu finden.
Wenn ich mich selbst aufgebe, was bin ich dann für ein Vorbild? Gib alles für andere, vergiss deine eigenen Bedürfnisse? Und wenn ich zu egoistisch bin, was bin ich dann für eines? Diese Fragen stellen sich einem jeden Tag aufs neue. Und jeden Tag muss man sie neu für sich beantworten. Denn wenn ich sie mir selbst nicht beantworten kann, dann werde ich sie meinen Kindern auch nicht beantworten können. In jeder Situation, mit jedem „Nein!“, jedem „Gut gemacht!“ vermittle ich meine Vorstellung von Werten, meine Vorstellung von Individualität, von Rücksichtnahme auf andere.
Kinderlos zu bleiben ist die sichere Bank, das Leben bleibt planbar und übersichtlich. Kinder zu bekommen bedeutet das höchste Maß an Spontanität, das man sich nur vorstellen kann. In allen Lebensbereichen.
Ich kann jeden verstehen, der sagt, dieser Herausforderung möchte ich mich nicht stellen, und das ist auch völlig in Ordnung so. Genauso sei es Eltern gestattet, ihre Schwächen einzugestehen und auch sagen zu dürfen, dass man an seine Grenzen kommt, sich das anders vorgestellt hat und man sich anders entscheiden würde, stünde man nochmal vor dieser Entscheidung.
Ich empfinde dies als außerordentlich mutig und reflektiert, bedeutet es doch, sich gegen diesen „Alles ist super!“-Strom zu stellen, der uns mit perfekten Instagram-Familien-Fotos und durchgestylten Familienmagazinen überschwemmt.
Und es darf einfach keine gesellschaftliche Ächtung zur Folge haben, offen darüber zu sprechen.
Denn es ist so oder so schon mehr als schwer genug, sich selbst einzugestehen, dass man mit dieser weitreichenden Entscheidung nicht glücklich geworden ist.
Dies hat sicherlich nichts mit der Liebe zu seinen Kindern zu tun, sondern mehr mit dem Empfinden, ob das eigene Leben und das der Kinder zufriedenstellend verlaufen ist. Nirgends ist man größeren Versagensängsten ausgesetzt als in der Elternschaft. Wieviele bekommen keine Kinder, weil sie glauben, ihnen nicht „genug bieten“ zu können? Wer sagt einem denn, was genau „genug“ ist, außer man selbst? Es sind die eigenen Ansprüche an sich selbst, die dies bestimmen, nicht die anderer Leute. Aber das wird einem immer erst gewahr, wenn man es schafft, sich vom äußeren Diktat zu lösen.
Und deshalb fällt es mir oft sehr schwer, dieses „Bei uns ist alles perfekt!“-Bild, welches viele Eltern, insbesondere überengagierte Mütter, propagieren, zu akzeptieren. Es nicht alles perfekt. Nie. Nirgendwo. Jeder, der das behauptet, lügt, behaupte ich ganz dreist.
Jedes Kind hat mal einen totalen Ausraster, jedes Elternteil verzagt von Zeit zu Zeit angesichts totalen Schlafmangels, zu wenig Zeit für sich, geschweige denn für den Partner.
Man kann sagen, wir sind glücklich miteinander, so, wie es ist, mit all seinen Höhen und Tiefen, aber perfekt gibt es einfach nicht.
Und gerade das macht es doch aus: die Kinder, seinen Partner, die Familie und nicht zuletzt sich selbst so zu akzeptieren, wie man ist: mit all seinen Macken, seinen Launen, seinen Stärken und Schwächen.
Und dazu zu stehen, sich in starken Zeiten miteinander zu freuen und in schwachen Zeiten zueinander zu stehen und zu unterstützen. DAS wäre perfekt.