Schüchternes Kind: So hilfst du ihm – und das kann schaden!

Manche Kinder stürzen sich ohne Zögern ins Getümmel, schließen schnell Freundschaften und fühlen sich in Gruppen wohl. Andere halten sich eher im Hintergrund, brauchen Zeit, um aufzutauen, und sind lieber mit wenigen, vertrauten Menschen zusammen. Vielleicht kennst du das auch von deinem eigenen Kind: Es spricht kaum in der Kita, versteckt sich hinter dir, wenn es angesprochen wird, oder beobachtet lieber, anstatt aktiv auf andere zuzugehen.

Schüchterne Kinder ermutigen – ohne zu überfordern

Doch ab wann ist Schüchternheit einfach nur eine Charaktereigenschaft – und wann wird sie zur Belastung für dein Kind? Sollte man es ermutigen, sich mehr zu öffnen, oder lieber so akzeptieren, wie es ist? Und wie kann man es unterstützen, ohne es zu überfordern?

Wir haben mit Dr. Aylin Thiel, Psycho- und Traumatherapeutin, darüber gesprochen, wie du dein schüchternes Kind bestärken kannst – und warum Druck oft das Gegenteil bewirkt.

„Mut wächst durch Sicherheit.”

Echte Mamas: Woran erkennen Eltern, ob ihr Kind einfach nur ruhig ist oder ob es unter übermäßiger Schüchternheit leidet?

Dr. Aylin Thiel: Nicht jedes Kind, das sich im Hintergrund hält, leidet darunter. Manche sind einfach introvertiert, beobachten lieber und fühlen sich in kleinen, vertrauten Gruppen wohler. Problematisch wird es, wenn ein Kind nicht nur zurückhaltend ist, sondern darunter leidet – wenn es sich einsam fühlt oder sich wünscht, mehr mit anderen zu interagieren, es aber nicht schafft. Auch körperliche Anzeichen wie Bauchschmerzen oder Anspannung vor sozialen Situationen können Hinweise darauf sein, dass sich das Kind überfordert fühlt.

Echte Mamas: Welche Ursachen können hinter extremer Zurückhaltung stecken?

Dr. Aylin Thiel: Es gibt viele Gründe: Manche Kinder haben ein ruhiges Temperament, andere haben negative Erfahrungen gemacht oder wurden für ihr Verhalten kritisiert. Hochsensible Kinder nehmen ihre Umgebung intensiver wahr und ziehen sich aus Überforderung zurück. In manchen Fällen kann auch ein Bindungsthema dahinterstehen – Kinder, die sich emotional nicht sicher fühlen, haben oft Angst vor Ablehnung oder Bewertung.

Echte Mamas: Ab wann wird Schüchternheit problematisch?

Dr. Aylin Thiel: Schüchternheit ist nicht automatisch ein Problem. Manche Kinder sind einfach leiser und fühlen sich in kleineren Gruppen wohler – das ist völlig in Ordnung. Kritisch wird es, wenn das Kind sich selbst als „nicht gut genug“ empfindet, Angst vor Fehlern hat oder sich zunehmend sozial isoliert. Dann kann es sinnvoll sein, genauer hinzuschauen und dem Kind gezielt zu helfen.

Echte Mamas: Welche Strategien helfen, ein schüchternes Kind zu ermutigen, ohne es zu überfordern?

Dr. Aylin Thiel: Sanfte Ermutigung statt Druck ist der Schlüssel. Eltern können kleine, erreichbare Ziele setzen – etwa das Üben einer Begrüßung oder ein kurzes Gespräch mit einem anderen Kind. Wichtig ist, Sicherheit zu vermitteln: „Ich sehe dich, ich verstehe dich, und du darfst in deinem Tempo wachsen.“ Erfolgserlebnisse stärken das Vertrauen des Kindes. Auch gemeinsames Reflektieren („Wie hat es sich angefühlt?“) kann helfen, damit das Kind positive Erfahrungen bewusst wahrnimmt.

Echte Mamas: Wie sollte man mit dem Druck der mündlichen Benotung in der Schule umgehen?

Dr. Aylin Thiel: Viele schüchterne Kinder haben nicht etwa Wissenslücken, sondern Angst vor dem Sprechen. Hier kann es helfen, mit der Lehrkraft nach Lösungen zu suchen – vielleicht kann das Kind sich zunächst in kleineren Gruppen äußern oder schriftliche Beiträge einreichen. Zuhause können Rollenspiele oder kleine Ermutigungsschritte helfen. Wichtig ist, dem Kind zu vermitteln: „Dein Wissen zählt, auch wenn du leise bist.“

Echte Mamas: Hilft es, Kinder aktiv in Gruppen zu bringen – oder verstärkt das den Druck?

Dr. Aylin Thiel: Das kommt darauf an, wie es gemacht wird. Ein Kind gegen seinen Willen in eine große Gruppe zu setzen, verstärkt oft nur die Unsicherheit. Besser ist es, geschützte Rahmen zu schaffen, in denen das Kind positive soziale Erfahrungen macht – etwa in einem Verein, der ihm Freude macht. Kinder werden nicht mutiger, indem man sie ins kalte Wasser wirft, sondern indem man ihnen zeigt, dass sie sicher sind.

Echte Mamas: Sollte man einfach abwarten oder aktiv etwas tun?

Dr. Aylin Thiel: Manche Kinder werden mit der Zeit sicherer, andere bleiben in ihrem Muster gefangen, wenn sie nicht lernen, sich zu öffnen. Schüchternheit „verwächst“ sich nicht immer von selbst – besonders dann nicht, wenn das Kind soziale Situationen vermeidet. Es geht nicht darum, die Schüchternheit zu beseitigen, sondern dem Kind zu zeigen: „Du bist sicher, auch wenn du dich zeigst.“

Echte Mamas: Wann ist der Punkt erreicht, an dem Eltern sich Hilfe holen sollten?

Dr. Aylin Thiel: Wenn das Kind stark unter seiner Schüchternheit leidet, soziale Situationen vermeidet oder große Ängste entwickelt, kann es sinnvoll sein, eine Fachkraft aufzusuchen. Ein Psychotherapeut kann helfen, in einem geschützten Rahmen kleine Schritte zu gehen. Es geht nicht darum, das Kind zu verändern, sondern ihm zu zeigen: Du bist nicht falsch, du darfst wachsen – und du musst es nicht allein tun.

Mut wächst nicht durch Druck, sondern durch Sicherheit

Schüchterne Kinder brauchen keine harten Schubser – sie brauchen das Gefühl, dass sie sicher sind. Gleichzeitig helfen Erfahrungen, die ihnen zeigen, dass sie sich ausprobieren dürfen, ohne Angst haben zu müssen. Jedes Kind hat sein eigenes Tempo, und das zu respektieren ist der Schlüssel. Denn Mut wächst nicht durch Druck – sondern durch Sicherheit.

Noch mehr Tipps, Experten-Wissen und Erfahrungen rund um das Thema Eltern-Kind-Beziehung findest du übrigens auch auf dem Instagram-Kanal von Dr. Aylin Thiel. Schau unbedingt mal dort vorbei!

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Lena Krause

Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach!

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