Ihr habt euch ausgemalt, wie schön es sein wird, wenn das Geschwisterchen für euer erstes Kind da ist, wie süß die beiden kuscheln und spielen werden. Sicher, ihr dachtet euch schon, dass es auch anstrengende Momente geben wird, aber bisher war euer erstes Wunder ein wahrer Engel. Also was soll schon schiefgehen? Und dann ist das zweite Baby da und plötzlich erkennt ihr euer Erstgeborenes nicht wieder. Nun ist es so ganz anders mit zwei Kindern, als ihr erwartet hattet und ihr seid ziemlich unsanft auf dem Boden der Tatsachen gelandet.
Fühlt ihr euch manchmal so oder so ähnlich? Dann seid ihr nicht alleine!
Das Wichtigste zuerst: Solche Verhaltensänderungen bei kleinen Kindern können frustrierend und verwirrend sein, sind aber eine ganz normale Reaktion auf große Veränderungen im Leben. Doch selbst mit diesem Wissen im Hinterkopf, stößt man manchmal an seine Grenzen. So auch eine Mama, die Rat beim Magazin „Parents” sucht, sie schreibt:
„Mein Sohn wird nächsten Monat drei Jahre alt. Er war immer ein fröhliches, entspanntes Kind. Vor etwa 2,5 Monaten haben wir mit dem Töpfchentraining begonnen und es hat großartig geklappt! Wir haben jetzt eine vier Monate alte Tochter, die er vergöttert, aber in letzter Zeit macht er definitiv Rückschritte, er steht auf, nachdem wir ihn hingelegt haben, krabbelt herum, setzt sich in ihren Autositz, wenn dieser auf dem Boden liegt, und will wieder Windeln tragen.
Wir haben uns mehr Mühe gegeben, dass wir jeweils Zeit alleine mit ihm verbringen und ihn mehr loben, zum Beispiel für das Essen mit Besteck oder die Benutzung des Töpfchens, aber wir sind am Ende unserer Kräfte. Ich mag die Mutter wirklich nicht, die ich nach 19 Uhr für ihn bin. Ich bin so angespannt und schreie schnell. Bitte helfen Sie mir!”
Zum Glück weiß die Psychologin Rat
Für das Magazin Parents beantwortet Psychologin Emily Edlynn die Fragen der Eltern. Sie beglückwünscht die Mama zunächst dazu, dass sie offenbar sehr viel Glück mit ihrem älteren Kind hatte, dass bisher problemlos alles mitgemacht hat. „Sie und Ihr Kind haben einen bemerkenswert reibungslosen Übergang zum Kleinkind geschafft.” Das Problem: Die Mutter sei nun an das „entspannte” Verhalten ihres ersten Kindes gewohnt, doch sie solle sich bewusst machen, dass es niemals „einfach” sein wird, ein Baby und Kleinkind großzuziehen.
Doch sie kann die Mama auch beruhigen: Der Rückfall ihres Kleinkindes in frühere Entwicklungsstufen ist eine ganz normale Reaktion auf ein Geschwisterkind. Und die Mama macht auch schon viel richtig: „Sie tun bereits, was am wichtigsten ist, um diese Phase zu überstehen: Sich auf die Beziehung zu zu Ihrem Sohn konzentrieren.”
Es ist okay, wenn das Kleinkind Abstand zum Baby will
Doch sie hat noch weitere wichtige Tipps, die wir euch selbstverständlich nicht vorenthalten möchten. Edlynn erklärt, dass Eltern die Momente, die sie alleine mit ihrem Kleinkind verbringen, dazu nutzen sollen, offen darüber zu kommunizieren, dass sich die Situation verändert hat. Mama und Papa dürfen gerne vor dem älteren Kind zum Ausdruck bringen, dass sie das alte Leben ebenfalls manchmal vermissen: „Ich bin so glücklich, jetzt nur mit dir zusammen zu sein! Ich vermisse unsere Zeit zu zweit, seitdem das Baby da ist.“
Außerdem ist es ganz normal, wenn das Kleinkind Zeit ohne das Baby fordert oder sich sogar abwehrend oder negativ über das neue Geschwisterchen äußert. Auch wenn das natürlich nicht das ist, was Eltern hören wollen, sollten sie darauf niemals böse, sondern immer mit Verständnis reagieren.
„Wenn ich auch ein Baby wäre, würde ich deine Aufmerksamkeit bekommen.”
„Wenn sich kleine Kinder an die neue Realität der geteilten Aufmerksamkeit gewöhnen, bewältigen sie Emotionen, die ihren winzigen Ressourcenpool an Bewältigungsstrategien übersteigen.” Die Mama habe (bisher) Glück, dass es dabei offenbar nicht zu größeren Zusammenbrüchen und extremen Wutanfällen kommt, die ebenfalls typische Reaktionen sind. Mit seinem Verhalten drückt das ältere Kind aus, was es noch nicht in Worte fassen kann: „Wenn ich auch ein Baby wäre, würde ich die Aufmerksamkeit bekommen, die mir jetzt fehlt.”
Viele Eltern reagieren auf die Regression des älteren Kindes ungefähr so: „Du bist jetzt ein großer Junge, ich muss dir nicht die Windeln wechseln wie deiner kleinen Schwester!“ Solche Aussagen können kleine Kinder noch nicht deuten. Das kleine Kind denkt nicht: „Oh, du hast recht! Ich bin ein großer Junge. Das mache ich nie wieder.“
Besser: Dem Kind spiegeln, wie es sich vermutlich gerade fühlt, indem man ihm signalisiert, dass man seine Gefühle versteht: „Du möchtest, dass deine Windel gewechselt wird, obwohl du jetzt aufs Töpfchen gehst? Ich wette, du vermisst die Zeit, in der Mama sich nur um dich gekümmert hat, und manchmal wünschst du dir, es wären immer noch nur wir beide.“
„Auch das wird vorübergehen”
Die Psychologin schreibt außerdem, dass es nachvollziehbar ist, dass die Mama erschöpft ist und deswegen schnell gereizt reagiert oder laut wird. Sie glaubt, dass ein Teil der Frustration daher kommt, dass ihr nicht bewusst sei, dass es sich bei dem Verhalten nur um eine Phase handele. Eltern mit mehreren Kindern hätten diese Erfahrung bereits gesammelt, sodass sie entspannter reagieren können.
Deswegen rät sie: „Die meisten belastenden Phasen enden, und manchmal wissen wir nicht einmal, warum. Wenn Sie einige der oben genannten Erziehungsstrategien mit Ihren eigenen tiefen Atemzügen und dem Mantra ‚Auch das wird vorübergehen‘ kombinieren, kann Ihnen das bei der Bewältigung helfen.”
Abschließend gibt die Psychologin noch folgenden Rat:
„Haben Sie mehr Mitgefühl mit sich selbst. Sie befinden sich derzeit in der anspruchsvollsten und erschöpfendsten Phase der Elternschaft. Seien Sie freundlich und geduldig mit sich selbst, während Sie Ihr Bestes geben. Kinder sind so im Einklang mit der Stimmung ihrer Eltern, und auch Ihr Kind wird von diesem Selbstmitgefühl profitieren, indem es spürt, dass die Eltern ruhiger sind.”