Die Zahlen sind wirklich erschreckend: Laut einer aktuellen Umfrage wird fast jedes sechste Schulkind in Deutschland Opfer von Mobbing. Viele leiden noch Jahre später unter den Folgen. Aber was können wir Eltern tun? Passend zum „Behaupte-dich-gegen-Mobbing-Tag“ hat uns die ehemalige Gymnasiallehrerin Tanja Szyska erklärt, was Cybermobbing mit Kindern macht und mit welchen Tipps du dein Kind vor den Angriffen aus dem Internet schützen kannst.
Das Internet macht es Mobbern besonders leicht
Ob in Chats, Foren, E-Mails, bei Facebook, Instagram, TikTok oder YouTube: Das Internet bietet Kindern und Jugendlichen nicht nur viele Möglichkeiten, sich auszutauschen und Teil einer Gemeinschaft zu werden, sondern birgt damit leider auch einige Gefahren. Denn noch nie war es so einfach, andere zu beleidigen, belästigen oder lächerlich zu machen – und das auch noch völlig anonym.
Dazu ist mit dem Aufkommen von Künstlicher Intelligenz ein ganz neues Problemfeld entstanden: Erniedrigende Fotos von Mitschülern zu generieren, ist nämlich kinderleicht geworden. Mithilfe kostenloser Apps lassen sich Fotos mit wenigen Klicks verändern. Und Voice-Generators können Texte mit der Stimme einer beliebigen Person vorlesen lassen. Wenn solche gefälschten Sprachnachrichten oder Videos dann weiterversendet werden, können Empfänger getäuscht und die vermeintlichen Sprecher bloßgestellt werden. Cybermobbing lautet das Stichwort.
Was ist Cybermobbing?
Der Begriff „Mobbing“ ist (leider!) nichts Neues. Er bezeichnet ein Verhalten, mit dem eine Person wiederholt gezielt beleidigt, bedroht, verletzt oder gedemütigt wird. Es ist also eine Form psychischer (und teilweise auch körperlicher) Gewalt, unter der die Betroffenen sehr leiden, und die auch Jahre später noch schlimme Folgen haben kann.
Beim Cybermobbing finden die Attacken über verschiedene Kanäle des Internets statt. Die Täter nutzen E-Mails, Chats, Foren, Messenger, Soziale Medien und mehr, um ihre Opfer zu terrorisieren. Dabei können sie meistens vollkommen anonym bleiben, was eine Nachverfolgung erschwert.
Wie erkenne ich, dass mein Kind im Internet gemobbt wird?
Besonders für Kinder hat Mobbing oft schwerwiegende Folgen, die auch Jahre später noch anhalten können. Dabei reagiert jedes Kind anders auf die Attacken. Mögliche Anzeichen können unter anderem sein, wenn dein Kind:
- sich zurückzieht oder abkapselt
- sich nicht mehr mit Freunden trifft
- nicht mehr zur Schule gehen mag oder sogar schwänzt
- sich plötzlich nicht mehr konzentrieren kann
- schlechter als sonst schläft
- keinen Appetit hat
- über körperliche Beschwerden klagt (Kopfweh, Übelkeit)
Wenn du das Gefühl hast, dass dein Kind gemobbt werden könnte, ist es wichtig, darüber zu sprechen. Am besten fragst du immer wieder behutsam nach und sprichst deine eigenen Ängste und Sorgen altersgerecht an. Wenn dein Kind bereit ist, sich dir anzuvertrauen, könnt ihr gemeinsam (wichtig!) die weiteren Schritte angehen.
Was kann ich tun, wenn mein Kind von Cybermobbing betroffen ist?
Jede Art von Mobbing hat Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl eines Kindes. Deshalb sind Schuldzuweisungen unangebracht. Stattdessen solltest du deinem Kind erklären, dass die Gründe für das Mobbing nicht bei ihm, sondern bei den Tätern liegen. Wenn das Cybermobbing in einem schulischen Kontext passiert, ist es ratsam, mit den Klassen- oder Vertrauenslehrkräften in Kontakt zu treten. Indem die Verrohung aus dem Netz ins echte Leben gezogen wird, lernen die Täter zu verstehen, dass das Internet kein straffreier Raum ist.
Aber: Nur mit Beteiligung deines Kindes. Wenn es übergangen wird, stärkt das sein Gefühl des Kontrollverlustes. Hilfe gibt es auch bei Mobbing-Beratungsstellen.
In besonders schlimmen Fällen lohnt sich auch der Gang zur Polizei. Vergiss aber nicht, Screenshots der beleidigenden Inhalte anzufertigen. Denn nur dokumentierte Cyber-Attacken können strafrechtlich verfolgt werden.
Inzwischen gibt es auch Möglichkeiten, Cybermobbing online anzeigen zu lassen. So können sich Betroffene zum Beispiel an die Online-Meldestelle REspect! wenden, die u.a. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wird. Wichtig ist auch, beleidigende Inhalte bei entsprechenden Seitenbetreibern zu melden.
Wie kann ich mein Kind vor Cybermobbing schützen?
Es gibt allerdings auch präventive Maßnahmen, die die Wahrscheinlichkeit senken, dass Kinder im Laufe ihres Lebens Opfer von Cyberangriffen werden. Die ehemalige Gymnasiallehrerin und heutige sofatutor-Lernexpertin Tanja Szyska kennt die Gefahren des Internets sehr gut. Anlässlich des „Behaupte-dich-gegen-Mobbing“ Tages hat sie drei Tipps zusammengestellt, mit denen du deine Kinder vor Cybermobbing schützen kannst.
Selbstvertrauen stärken
„Es gibt keine Zauberformel, um Cybermobbing zu verhindern. Dennoch ist es wichtig, Kindern einen guten Umgang mit den unbegründeten Angriffen beizubringen. Dazu ist ein gesundes Selbstvertrauen unabdingbar. Deshalb sollten Eltern ihren Kindern erlauben, sich auszuprobieren und ein Hobby zu finden.
Bei allen leistungsbezogenen Tätigkeiten eines Kindes, ist es wichtig, seine Bemühungen zu loben, nicht das Endergebnis. Dadurch wird verhindert, dass es sein Selbstwertgefühl nur von erbrachten Leistungen abhängig macht. Außerdem sollte es ermutigt werden, sich selbst zu bestärken, statt auf die Anerkennung anderer zu warten.“
Internet-Gefahren erkennen
„Um Kindern einen verantwortungsbewussten Umgang mit sozialen Medien und Künstlicher Intelligenz zu vermitteln, sollten Eltern sich selbst mit deren Inhalten und Funktionsweisen vertraut machen. Sinnvoll ist zum Beispiel, sich innerhalb der Familie regelmäßig über Medienerfahrungen auszutauschen.
Dabei sollten Eltern Interesse am Nutzerverhalten ihrer Kinder zeigen und nachfragen, welche Inhalte sie besonders interessant finden und wie man auf diversen Plattformen miteinander umgeht. Wichtig ist aber auch, über mögliche Gefahren aufzuklären und Regeln aufzustellen. Mach deinem Kind klar, wie wichtig es ist, seine Social-Media-Accounts durch sichere Passwörter zu schützen und dass es eine ,Netiquette‘ gibt.
Außerdem sollte sich dein Kind in den sozialen Medien auf den Kontakt zu seinen Freunden aus dem echten Leben konzentrieren.“
Freiheit statt Verbot
„Obwohl die Ängste vieler Eltern teilweise berechtigt sind, ist es dennoch wichtig, Kindern ein Maß an Freiheit einzuräumen. Wenn ein Kind angemessen auf mögliche Internet-Gefahren aufgeklärt wurde, sollten die Eltern darauf vertrauen, dass es in der Lage ist, sich selbst zu schützen – so wird gleichzeitig sein Selbstbewusstsein gestärkt.
Unnötige Verbote belasten das Eltern-Kind-Verhältnis. Aus Angst vor Medienverboten könnte dein Kind internetbezogene Probleme, wie zum Beispiel Cybermobbing oder belästigende Nachrichten, für sich behalten, was in den meisten Fällen zu Überforderung führt.“
Liebe Tanja, wir danke dir für deine Tipps!
Wie ist es bei euch: Musstet ihr auch schon Erfahrung mit Mobbing machen, vielleicht sogar über das Internet? Was hat euch geholfen? Und was tut ihr, um eure Kinder vor Cybermobbing zu schützen? Schreibt uns eure Erfahrungen in die Kommentare –