Spielende Mütter – DIE Sensation der FIFA-Frauen-WM!

Heute beginnt die Fußballweltmeisterschaft der Frauen, und ich freue mich schon seit Wochen wie Bolle darauf, meinen Lieblingsspielerinnen Lina Magull, Laura Freigang und Lena Oberdorf beim Spielen zuzuschauen. Aber am heutigen Morgen bringt mich das Ganze richtig auf die Palme.

Eigentlich wüsste ich gern, wer jetzt eigentlich die besten Chancen auf einen Stammplatz hat und wer am Montag beim ersten Spiel der deutschen Frauen gegen Marokko auf der Bank Platz nehmen wird. Die Infos dazu muss ich aber leider mit der Lupe suchen – die aufs Sportliche fokussierte Berichterstattung rund um die Frauen-WM ist meiner Meinung nach in den vergangenen Wochen mehr als spärlich vorhanden.

Stattdessen finde ich aber massenhaft Berichte zu diesem Thema:

Halten wir an dieser Stelle einmal fest:

Zur Männer-Fußball-WM 2022 in Katar war Joshua Kimmich bereits Vater eines Dreijährigen, und die Söhne von Mario Götze und Niklas Süle waren noch Babys.

Und jetzt mal scharf nachdenken: Habe ich damals dazu irgendwo Berichte à la: „Baby und Fußball – wie macht Mario Götze das bloß“ gelesen? Oder hat im Vorfeld irgendjemand gefragt, wie um alles in der Welt Niklas Süle nur mit dieser Doppelbelastung fertig werden soll?

Komisch. Kann ich mich gar nicht dran erinnern!

Ich bin jetzt mal wirklich böse: Die Frage stellt sich natürlich überhaupt nicht – denn wozu gibt’s schließlich Spielerfrauen?!

Aber bei unseren Fußball-Frauen ist die Vereinbarkeit dieser Tage Thema Nummer eins. Mittelfeldspielerin Melanie Leupholz nimmt ihr Baby mit zur WM! Und überall großes Staunen: Ah, oh, wie, was? Wie macht sie das bloß?

Auf einer Pressekonferenz im Vorfeld des Turniers wurde neulich auch schon genau diese Frage gestellt, was Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg ganz cool vom Tisch wischte, indem sie erklärte, „23 Babysitterinnen und die Oma Martina“ stünden ja jederzeit bereit.

Darüber habe ich auch herzlich gelacht.

Wenn ich nun aber lese, wie lange es gedauert hat, bis der Deutsche Fußball-Bund (DFB) mal auf die Idee kam, jungen Müttern zu erlauben (!) ihre Kinder mit zu Turnieren zu nehmen, dann bleibt mir das Lachen doch ein wenig im Halse stecken.

Als die heutige Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg 1993 selbst noch Spielerin und Mutter eines Babys war, durfte sie ihre Tochter Dina nicht zu einem internationalen Turnier mitnehmen. Es gab dazu einfach keine Unterstützung vom DFB, das Kind musste zu Hause bleiben.

Erst mit den Zwillingen von Torhüterin Almuth Schult und der Notwendigkeit, die Ersatz-Spielerin zur Europameisterschaft der Frauen 2022 einzuladen, änderte sich die Haltung des DFB zu diesem Thema. Vorher hieß es: Kind oder Fußball-Karriere, sorry.

„Es ist ein Riesenmehrwert für uns Frauen im Sport, die Karriere nicht beenden zu müssen, sondern mit Unterstützung des DFB die Kinder dabei zu haben. Ich weiß selbst, wie es ist, das Kind bei Turnieren nicht dabei zu haben“, sagte Martina Voss-Tecklenburg laut stern.de dazu unlängst im ZDF.

Der eigentliche Skandal ist also nicht, dass die Medien über Leupolz und ihr Baby bei der WM berichten, sondern dass der DFB erst jetzt auf die Idee kommt, Mütter zu unterstützen.

Wieso erfahren Frauen im Profi-Fußball solch eine Benachteiligung im Vergleich zu den Männern, die seit jeher vielfältige Annehmlichkeiten im familiären Bereich genießen?

Ich denke dabei zum Beispiel an die seit Jahrzehnten gängige Praxis, die Spielergattinnen in der spielfreien Zeit einzufliegen.

Nun muss man natürlich festhalten, dass es zwischen Martina Voss-Tecklenburg und Almuth Schult keine Spielerinnen gab, die während ihrer aktiven Zeit in der Nationalmannschaft Mutter geworden sind. Die meisten Fußballerinnen beginnen erst nach ihrer Karriere mit der Familienplanung. Vielleicht aber auch deshalb, weil das Arbeitsumfeld eine frühere Familiengründung kaum unterstützt?

Man munkelt, da könnte es einen gewissen Zusammenhang geben.

Schließlich werden männliche Spieler oft auch sehr jung Vater (Beispiele: Lukas Podolski mit 23, Joshua Kimmich mit 24) – die haben aber natürlich die erwähnten Spielerfrauen im Rücken. Und die nötige Kohle für Nannys. Und da stellt auch keiner die sportliche Leistung infrage.

Halten wir mal Melanie Leupolz‘ Worte im Interview mit der aktuellen Bunten dagegen:

„Mein Kind ist nicht das Ende meiner Karriere. Spielerinnen in den USA und in Skandinavien haben es vorgemacht, dass auch nach einer Schwangerschaft große Leistungen möglich sind. Wir Deutsche waren da etwas hintendran, aber ich weiß, dass es auch in unserer Mannschaft Spielerinnen mit Kinderwunsch gibt.“

Support von Müttern heißt in meinen Augen nicht nur, dass die Fußball-Mamas ihre Kids mit zu Turnieren mitnehmen dürfen, sondern fängt schon bei den Finanzen an.

An dieser Stelle könnte ich natürlich noch das Fass mit den vergleichsweise lachhaften Gehältern und Prämien der Spielerinnen im Hinblick auf die Männer aufmachen (Stichwort: „Kaffeeservice EM 1989“- einfach mal googeln – wenigstens gibt’s inzwischen Bares, ein echter Fortschritt!). Aber dann nähme der Text hier kein Ende.

Also, lieber DFB, wie schön, dass ihr im 21. Jahrhundert in Sachen Mütter-Support immerhin ein Schrittchen in die richtige Richtung gemacht habt. Ihr dürft aber auch gern noch ein Schippchen – bzw. ein paar Scheinchen – drauflegen, finden wir bei Echte Mamas und schalten jetzt den Fernseher ein.

Neuseeland gewinnt gerade im Auftaktspiel mit 1:0 gegen Norwegen. Übrigens steht keine einzige Mutter auf dem Feld.

Ilona Utzig

Ich bin Rheinländerin, lebe aber seit vielen Jahren im Hamburger Exil. Mit meiner Tochter wage ich gerade spannende Expeditionen ins Teenager-Reich, immer mit ausreichend Humor im Gepäck. Wenn mein Geduldsfaden doch mal reißt, halte ich mich am liebsten in Küstennähe auf, je weiter nördlich, desto besser.

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