„Ich bin eine von drei. Eine von drei Frauen, die ihr Baby viel zu früh verloren hat. Eine, die mit sehr wenigen darüber gesprochen hat, da es immer noch ein Tabuthema ist. Eine, die null empathische Reaktionen von Ärzten erfahren hat. Eine, die den Abgang mit Medikamenten herbeiführen musste und dann, am nächsten Tag, ganz normal arbeiten gehen sollte, als wäre nichts gewesen. Eine von vielen.
Ich habe meinem Sternchen einen Brief geschrieben:
Liebes Sternchen,
schon einige Zeit haben dein Papa und ich probiert, ein Baby zu bekommen. Zweifel schlichen sich ein. Warum dauert es bei uns so lange? Alle meine Freundinnen bekommen doch so einfach ein Kind? Dann kamst endlich du! Wir freuten uns riesig. Obwohl zeitgleich natürlich ein paar Unsicherheiten laut wurden. Schaffen wir das? Was ändert sich alles? Nie mehr nur zu zweit Schon beim ersten Frauenarzttermin nahm mir aber meine Frauenärztin jede Hoffnung.
Die Worte: ‚Es stimmt etwas nicht‘, ließen meine Welt für einen kurzen Augenblick still stehen. ‚Kommen Sie in zwei Wochen wieder, da sieht man vielleicht doch das Herz schlagen.‘ Zwei Wochen! Zwei Wochen voller Tränen, Hoffnung, Angst, Schockstarre. Ich versuchte, mich abzulenken, dein Papa versuchte mich abzulenken. Nichts half. Meine Gedanken kreisten.
Zwei Wochen später sagte uns die Frauenärztin nüchtern: ‚Es tut mir leid, aber ich sehe keinen Herzschlag.‘
Meine Welt brach erneut auseinander. Ich hatte aber keine Zeit mich zu sammeln. Uns wurde dann erklärt: ‚Seien Sie froh, es ist doch noch so früh und vielleicht wurde Ihnen eine Entscheidung erspart. Das passiert jeder zweiten bis dritten Frau, ganz normal, gar nicht schlimm. Am schnellsten gehts mit einer Ausschabung, da können Sie dann auch schnell wieder arbeiten.‘
Arbeiten? An sowas konnte ich jetzt absolut nicht denken. Nicht schlimm? Darf ich also gar nicht traurig sein? Wenn es doch ganz normal ist? Ein paar Tage später gingen wir ins Krankenhaus und entschieden uns für einen medikamentösen Abgang. Zu Hause nahm ich die Tabletten ein und unter unvorstellbaren Schmerzen kamst du dann, auf der Toilette. Es war unvorstellbar schlimm.
In der 9 Woche verlor ich dich. Und mit dir so viel Träume, Vorstellungen und Hoffnungen.
Laut des Arztes kann ich gleich wieder arbeiten. Ich blutete noch Tage danach, mein Körper und vor allem meine Seele schmerzten. Aber es war ja noch so früh. Ich soll mich nicht so anstellen. Um eine Krankmeldung muss ich bei meiner Frauenärztin betteln. Eine Woche Ruhe, um alles zu verarbeiten, ja und auch, um zu trauern! Scheinbar in Deutschland unmöglich. Funktionieren. Auf die Beine kommen. Schnell wieder bei der Arbeit sein. Zeit zu trauern? Um wen denn? Einen Zellhaufen?
Der Verlust eines Babys tut in jeder Woche weh! Ich vermisse dich. Jeden Tag. Du wurdest geliebt. Ich durfte dich zwar nie im Arm halten, aber dafür bist du für immer in unseren Herzen. Leuchte hell, kleiner Stern! Für uns bist du etwas ganz Besonderes.
Deine Mama
Warum ist ein Sternenkind immer noch ein Tabuthema?
Weil immer noch Frauen denken, sie haben kein Recht, zu trauern. Es war ja sowieso so früh. Nein! Es war nicht zu früh, um um dein Kind zu trauern. Es war da. Und wurde von der ersten Sekunde an geliebt. Und der Verlust ist da und darf betrauert werden. Ein Tabuthema? Leider werden immer noch zu viele Frauen beim Smalltalk nach ihrem Kinderwunsch gefragt. Das geht nicht. Es ist kein Thema, das mal eben so besprochen werden kann. Die Frage nach dem Kinderwunsch löst so viel aus.
Wer weiß denn, was hinter so einer kleinen Frage steckt? Schmerz, Trauer, Zweifel. Was stimmt mit meinem Körper nicht? Warum klappt es bei jedem in meinem Umfeld? Scham. Oder auch einfach die Angst, immer wieder auf das Thema angesprochen zu werden: ‚Und wann probiert ihr es wieder? Ihr seid ja noch jung.‘
Egal, ob du dein Baby in der 6., 12. oder 20. Woche verloren hast: Du darfst trauern.
Es war nicht zu früh dafür. Egal, ob es ein Wunschkind war oder ob es ungeplant war. Es wurde schon geliebt. Auch wenn du schon Kinder hast, aber dir so sehr ein zweites Kind gewünscht hast. Jeder Verlust zählt! Jede Trauer ist berechtig. Und nein, es ist auch mal in Ordnung, nicht sofort wieder zu funktionieren.
Keine Frau, sollte nach so einem Verlust um eine Krankmeldung kämpfen müssen. Keine Frau sollte sofort zur Arbeit müssen, wenn sie nicht möchte. Und keiner Frau sollten ihre Gefühle abgesprochen werden.
Bitte denkt daran, auch wenn euch das Thema nicht betrifft. Vielleicht betrifft es gerade eine eurer Freundinnen. Eure Nachbarin? Oder sogar eure Schwester? Seid sensibel mit euren Äußerungen und Fragen.”
Wir von Echte Mamas unterstützen die Initiative „Leere Wiege. Volle Arbeitskraft?” Gemeinsam setzen wir uns für einen gestaffelten Mutterschutz ein, damit keine Frau am Tag nach dem Verlust ihres Babys arbeiten gehen muss.
Liebe Vanessa, vielen Dank, dass du uns deine Geschichte anvertraut hast. Wir wünschen dir alles Liebe für die Zukunft!
Echte Geschichten protokollieren die geschilderten persönlichen Erfahrungen von Eltern aus unserer Community.
WIR FREUEN UNS AUF DEINE GESCHICHTE!
Hast Du etwas Ähnliches erlebt oder eine ganz andere Geschichte, die Du mit uns und vielen anderen Mamas teilen magst? Dann melde Dich gern! Ganz egal, ob Kinderwunsch, Schwangerschaft oder Mamaleben, besonders schön, ergreifend, traurig, spannend oder ermutigend – ich freue mich auf Deine Nachricht an [email protected]
Es tut mir leid dass du so eine Erfahrung gemacht hast. Ich verstehe dich sehr gut, ich habe 2 Babys so verloren. Aber gleichzeitig möchte ich allen Mut machen. Ich konnte darüber reden und meine Frauenärztin hat mich, ohne dass ich gefragt habe, für 1 Woche krank geschrieben.
Manchmal muss man sich an jemanden wenden dem man vertraut und dann wird es leichter. Mit hat Gott deutlich gezeigt dass er aus meinem Schmerz heraus etwas tolles erschaffen kann.
Einfach mal das eigene Herz öffnen und mit Empathie durchs Leben gehen.
Traurig, dass solche Verluste totgeschwiegen werden „müssen“, weil die Gesellschaft es nicht erträgt. 🥺
Ich hoffe, der Schmerz ist nicht mehr ganz so brennend ❤️🩹 ganz weg gehen wird er woh nie.