Je näher es auf die Geburt zugeht, desto kürzer wird der Gebärmutterhals. So weit, so normal – schließlich muss er sich um den Geburtstermin selbstständig öffnen. Ein verkürzter Gebärmutterhals, der früher in der Schwangerschaft auftritt, ist allerdings sehr gefährlich, weil er eine Frühgeburt auslösen kann.
Um diese zu verhindern, musste unsere Autorin Martina Steinbach ins Krankenhaus und liegen, liegen, liegen. Wie sich das auf ihre Körper und ihre Psyche auswirkte, erzählt sie hier.
„ ,Wieso sehe ich den Gebärmutterhals denn nicht?’, fragte mein Arzt aus der Praxis für pränatale Diagnostik. Die Frage richtete sich wohl eher an ihn selbst als an mich. Ich starrte mit großen Augen auf seine in tiefe Falten gelegte Stirn. Gerade hatte er doch noch gelächelt, mir und meinem Mann beteuert, wie wunderbar alles wäre. Kein Herzfehler, nichts.
Deswegen sind wir ja in SSW 29 + 6 hier: In unserer Verwandtschaft gibt es einige Fälle von Herzkrankheiten und daher wollten wir mit einer zusätzlichen Kontrolle ausschließen, dass unsere Maus auch Probleme mit dem Herzen hat. Der Arzt schickt meinen Mann raus und macht einen vaginalen Ultraschall. Seine Furchen in der Stirn glätteten sich leider nicht. Im Gegenteil: ,Ich muss Sie in ein Krankenhaus überweisen. Eins mit einer Frühgeborenen-Station.’ WAS? Wie bitte? ,Kann ich nochmal nach Hause, um eine Tasche zu packen?’ ,Nein.’ Ups, es schien also wirklich ernst zu sein.
Eine Stunde später lag ich in der Klinik am CTG, und die Stirn meines Mannes krauste sich ähnlich wie die des Arztes von eben. Die Kurve zeigte nämlich ziemliche Ausschläge an, ich hatte Wehen! Das durfte doch nicht wahr sein.Gestern hatte ich Geburtstag und gefühlt 100 Leuten am Telefon erzählt, wie gut es mir doch ginge und dass mit der Kleinen alles in Ordnung sei.
Ok, es war mein erstes Kind und vielleicht ist ein regelmäßig hart werdender Bauch doch nicht so normal, wie ich dachte. Und dieses nach unten drückende Gefühl war wohl auch nicht gerade im Rahmen… In meinem Haufen Arbeit, in dem ich steckte, und meinem üblichen Sportprogramm habe ich das offensichtlich gut verdrängt. Das schlechte Gewissen, etwas falsch gemacht zu haben, wurde immer größer. Als ich dann auf dem Zimmer lag und mein Mann kurz nach Hause fuhr, konnte ich die Tränen nicht mehr unterdrücken und schluchzte lauthals. Meine Bettnachbarin drehte sich zu mir und sagte: ,Lass es ruhig raus, so ging es mir auch. Aber es ist doch gut, dass du jetzt hier bist’. Wie süß ist die denn?, dachte ich erleichtert.
Von diesem Zeitpunkt an musste ich vier Mal täglich Wehenhemmer nehmen und ein Antibiotikum per Infusion. Offensichtlich hatte ich mir Bakterien eingefangen, die Wehen auslösten. Die wiederum hatten den Gebärmutterhals auf 26 Millimeter schrumpfen lassen. Kurz vor der Geburt sind 25 Millimeter normal. Dabei waren es ja noch zehn Wochen bis dahin…
Obendrein bekam ich zwei Spritzen, die aber für die Kleine bestimmt waren. Sie sollten die sogenannte Lungenreife auslösen, damit sie möglichst allein atmen könnte, falls sie doch früher käme. Auch die Wahrscheinlichkeit von Hirnblutungen nahm laut Klinikarzt durch die Spritzen ab. Schluck. Hirnblutungen? Und ich sollte mich bitte schonen. Puh, das war eine echt harte Herausforderung! Nichts machen, nur liegen. Da bleibt viel Zeit zum Denken. Ich hatte bei jedem Toilettengang Panik, dass die Geburt los geht, (dabei ist viel Trinken Pflicht, wegen der Thrombosegefahr) und Duschen wird zur stressigen Blitzaktion. Wie eine Oma setzte ich mich dabei auf einen schrecklichen Plastikstuhl, den mir mein Mann besorgt hatte und den ich dann mit nach Hause nehmen sollte.
Nach fünf Tagen im Krankenhaus durfte ich also den Stuhl testen und wurde entlassen. Die Wehenhemmer und auch das Antibiotikum (per Tablette) begleiteten mich jedoch nach Hause. Ich habe es noch nie so anstrengend empfunden, im dritten Stock zu wohnen. Nicht nur körperlich, sondern vor allem auch für meine Psyche. Was, wenn dieser Aufstieg den Gebärmutterhals noch mehr verkürzt? Meine Gedanken machten die Situation stetig schlimmer. Serien gucken, ein Buch nach dem anderen lesen – alles, was nach super Entspannung klingt, konnte ich nicht genießen. Das Kopfkino mit dem Filmtitel ‚Was wäre wenn’ verfolgte mich bis in den Schlaf.
Ich musste alle großen Job-Projekte absagen, wollte aber aus Stolz zumindest das letzte Kleine sauber über die Bühne bringen. Und obwohl es als Journalistin „nur“ um Schreibtischarbeiten und nicht um Bauarbeiten ging, lautete die Diagnose in SSW 32+4: Der Gebärmutterhals ist nur noch 17 Millimeter lang, die Wehen sind zurück und ab ins Krankenhaus. Zu meinem Glück landete ich im gleichen Krankenhauszimmer und die süße Nachbarin war immer noch da. Die Arme hat es mit ihren Zwillingen noch härter getroffen.
Ich fragte mich ständig: Was ist denn so schwer am Liegen bleiben? Erst jetzt wurde mir bewusst, dass es hier nicht um mich ging, sondern um meine kleine Maus. Die mir ganz eindringlich zu verstehen gab, dass es ok war, kürzer zu treten. Und dass sie weiterhin die Regeln bestimmen wollte. Die Kleine lag auch noch falsch herum und wollte sich partout nicht drehen. Eine äußere Wendung, die die Ärzte noch in SSW 36+4 versuchten, wurde abgebrochen. Sie saß schon zu tief. Drei Tage später kam sie schließlich sie per Kaiserschnitt zur Welt. Vollkommen gesund. Vollkommen gechillt. So, als ob sie sagen wollte: ‚Guck, Mama, langsam geht auch‘.
Wie wichtig es war, dass ich mich zurücknahm und ausruhte, wurde mir erst beim nächsten Frauenarzt-Termin richtig klar. Er – während der ganzen Zeit über die Ruhe selbst – meinte: ‚Gut, dass sie es so lange geschafft haben. In SSW 30 ist die Überlebenswahrscheinlichkeit zwar hoch, aber auch die einer Behinderung’. Mir wurde schlecht. Unter Tränen hielt ich die glücklich glucksende Kleine ganz fest im Arm – und dieses Gefühl war für mich das allerwichtigste auf der Welt.“