Sex! Ich liebe Sex! Aber seit ich Mutter geworden bin, habe ich keinen mehr. Naja, so gut wie keinen. Und das jetzt schon fast drei lange Jahre lang. Leider!
Leider? Es ist nicht so, dass ich nicht könnte, wenn ich mir ein bisschen Mühe geben würde (oder auch mein Mann, schließlich gehören zwei dazu!). Mein liebster Gatte, den ich nach all den Jahren immer noch sehr sexy finde, sitzt schließlich jeden Abend in greifbarer Nähe und hätte sicher auch nichts dagegen, wenn wir uns mal wieder näher kämen. Also so richtig, mit allem Drum und Dran. Doch irgendwie können wir uns beide nie so richtig aufraffen.
Warum eigentlich nicht? Schließlich denke ich ziemlich oft an Sex (zumindest wenn ich nicht gerade im Mama-Einsatz bin oder sonst irgendwas für Job oder Haushalt erledigen muss). Dann sehne ich mich nach dem heißen, spontanen Sex aus der Zeit, bevor wir ein Kind hatten, bevor wir beide Vollzeit berufstätig waren, bevor wir ein Netflix-Abo hatten. Unser Sex war leidenschaftlich, kreativ und immer sehr befriedigend.
Ich habe natürlich auch oft Sexträume, die im Jetzt spielen. Darin habe ich selbstverständlich meinen Körper von damals, mit strafferen Brüsten, flacherem Bauch und knackigerem Hintern. Dazu voluminöses, seidiges Haar, makellose Haut, glatt rasierte Beine und einen gewaxten Bikinibereich, denn natürlich habe ich in meiner Fantasie jeden Tag Zeit für Sport, ein ausgedehntes Pflegeprogramm und genug Geld für die nötigen Behandlungen diverser Beauty-Profis.
In diesen Träumen ist die Wohnung frei von herumliegendem Kinderspielzeug, überfüllten Wäscheständern und schmutzigem Geschirr. Stattdessen leuchtet warmer Kerzenschein die aufgeräumte Wohnung und unsere Körper perfekt aus und bringt uns ruck zuck in romantische Stimmung.
Wir müssen in meinen Träumen auch nicht befürchten, dass ein kleiner verschlafener Wuschelkopf jeden Moment zur Tür herein kommen kann, wenn wir diese nicht abschließen. Und wir müssen auch nicht leise sein, um niemanden aufzuwecken. Stattdessen können wir unserer Lust und Leidenschaft freien Lauf lassen.
In diesen Träumen spüre ich nichts von der Müdigkeit eines langen Tages voller Auseinandersetzungen mit einem trotzigen, trödeligen und jähzornigen Kleinkind. Ich denke auch keine Sekunde an all die dringenden Dinge, die ich wieder nicht geschafft habe.
Mein Mann und ich müssen in meinen Träumen auch nicht nach dem Familienabendessen und Zubettgehritual den Schalter von müder Mami und erschöpftem Papi auf sexy Mr. and Mrs. Smith umlegen. Stattdessen sind wir hellwach und topfit, um hungrig übereinander herzufallen und uns stundenlang zu lieben.
Ach, diese Träume! Ab und zu, wenn wir beide so auf dem Sofa liegen, er meinen Rücken krault und wir irgendeine weitere Folge irgendeiner weiteren Serie schauen, die mit unserem echten Leben überhaupt nichts zu tun hat – ab und zu frage ich mich dann, ob mein Mann diese Träume auch hat.
Dann frage ich mich auch, was uns eigentlich aufhält. Dieser doofe Alltagstrott muss doch zu durchbrechen sein – unserer Leidenschaft zuliebe! Jedes Mal nehme ich mir dann fest vor, spätestens am nächsten Wochenende endlich wieder den Rasierer zu schwingen, das Kind früh ins Bett zu stecken, den Fernseher auszulassen und meine Träume zumindest ein kleines bisschen wahr werden zu lassen.
Doch ehe ich mich versehe, ist es Sonntag, spätabends, ich stehe in schlabberigem Pyjama mit Augenrändern beim Zähneputzen vor dem Spiegel und schlafe fast im Stehen ein. „War noch was? Ach ja, Sex. Mmhhh, nee, heute nicht mehr. Nächste Woche. Irgendwann. Vielleicht…“ denke ich noch und döse Minuten später an meinen warmen Ehegatten gekuschelt langsam selig ein.