Viele Eltern wissen, dass es für die Sprachentwicklung ihrer Kinder wichtig ist, dass sie möglichst viel Ansprache erhalten. Doch leider gerät diese dennoch in den Hintergrund. Den Grund dafür belegte nun ein australisches Forschungsteam: Kinder sitzen zu viel vor dem Bildschirm und verlieren damit Zeit für die Sprachentwicklung.
Jede Minute Bildschirmzeit bedeutete weniger gehörte Worte von den Eltern
Die Ergebnisse der Studie, die im Fachmagazin „JAMA Pediatrics” veröffentlicht wurden, zeigen, dass hohe Bildschirmzeiten die Sprachentwicklung der Kinder verzögern. Mit jeder weiteren Minute Bildschirmzeit hörten die Kleinkinder weniger Worte von Erwachsenen, sprachen weniger Lautäußerungen und beteiligten sich an weniger Gesprächsabläufen. Die stärksten Rückgänge je Minute Bildschirmzeit wurden im Alter von 36 Monaten beobachtet.
Die Mitarbeitenden um Mary Brushe von der Schule für öffentliche Gesundheit der University of Adelaide hatte von Januar 2018 bis Dezember 2021 alle sechs Monate mittels Spracherkennungstechnologie gewonnene Daten von 220 Familien einbezogen. Es wurden jeweils die Bildschirmzeit und die häusliche Sprachumgebung der 12 bis 36 Monate alten Kinder an einem durchschnittlichen 16-Stunden-Tag erfasst.
Bei einer Stunde Bildschirmzeit entgehen Kindern durchschnittlich 400 Worte
Schon in Familien, die sich an die aktuellen Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Bildschirmzeit halten – eine Stunde pro Tag für 3-Jährige – können den Kindern der Studie zufolge pro Tag rund 400 Erwachsenenworte entgehen. Schätzungen zufolge liegt die durchschnittliche Bildschirmzeit in den meisten Familien aber weit höher.
Wenn Dreijährige – wie in der Studie – durchschnittlich täglich etwa 172 Minuten vor Bildschirmen sitzen, entgehen ihnen durchschnittlich mehr als 1000 an sie gerichtete Worte von Erwachsenen in ihrem Umfeld, wie die Forschenden erläutern. Ob besonders lange vor Bildschirmen sitzende Kinder tatsächlich einen geringeren Wortschatz und ein schlechteres Sprachvermögen haben, wurde allerdings nicht untersucht.
Neue Leitlinie sieht vor, dass Kinder unter 3 Jahren nie an Bildschirmen sitzen sollten
Es gibt allerdings bereits zahlreiche Untersuchungen, die belegen, wie wichtig gehörte Gespräche und eine direkte Ansprache für die Sprachentwicklung von Kindern ist. Auch das Vorlesen gehört dazu, worauf leider ebenfalls immer mehr Eltern verzichten.
Erst vor wenigen Monaten berichteten wir über die neue Leitlinie zu Bildschirmzeiten für Kleinkinder, die vorsieht, dass Kinder unter drei Jahren nie an Bildschirmen sitzen. Die Studie des australischen Forscherteams ist ein erneuter Beleg für die Relevanz der neuen Leitlinie.
Doch Kinder komplett von Bildschirmen fernzuhalten, ist gar nicht so leicht.
Das sehen auch die Forschenden so. Es sei unrealistisch, dass Familien ganz aufhören, kleine Kinder mit dem Smartphone oder Tablet zu beschäftigen. „Stattdessen könnten sich Programme und Richtlinien darauf konzentrieren, Familien zu ermutigen, die Zeit vor dem Bildschirm als Gelegenheit zur Interaktion mit ihrem Kind zu nutzen.”