Ich stehe vor dem Badezimmerspiegel und sehe mir selbst dabei zu, wie ich mir die Ohren zuhalte. Meine Mimik ist vor Wut angespannt und ich fluche laut vor mich hin. Nur, dass ich es nicht höre, wie auch, ich halte mir ja die Ohren zu. Aber natürlich weiß ich trotzdem, was ich da für hässliche Sachen vor mich hin schimpfe.
Monster! Giftzwerge! Teufelchen!
Wenn die Situation da Draußen gerade nicht so unaushaltbar wäre, könnte ich über meinen eigenen Anblick fast schon lachen.
„Die Situation da Draußen“, damit meine ich die Tragikomödie, die sich gerade im Kinderzimmer mit meinen beiden Söhnen abspielt. Ein einziges Geheule, weil ich es Niemandem Recht machen kann, der Bruder wird getreten, weil er natürlich just in diesem Moment schon wieder mit den gleichen Spielsachen spielen will und ich bin mittendrin und versuche seit Stunden, die Balance zu halten. Irgendetwas hat das Fass zum Überlaufen gebracht, weswegen ich lauter als geplant die Flucht angetreten habe. Mit Türenknallen und allem Drum und Dran.
Und jetzt stehe ich hier auf zwölf gefliesten Quadratmetern und fühle mich schon wieder urlaubsreif.
Verdammt nochmal, wieso ist das Muttersein eigentlich so viel schwerer, als ich damals dachte?
Als ich während meiner ersten Schwangerschaft dem Leben zu Dritt entgegenlächelte und dachte, allen kleinen Schwierigkeiten des Alltags mit Gelassenheit begegnen zu können?
Muttersein, das stellen wir (kinderlose) Frauen uns oft so einfach vor, als bedeute es einfach nur „einer mehr im Haus“, der so mitläuft. Natürlich ist es nicht „irgendwer“, sondern unser geliebtes Kind, von dem wir im besten Fall schon unser halbes Leben lang geträumt haben.
So ein süßes Wesen kann doch wohl nicht unsere eigene Gefühlswelt derart durcheinanderbringen, dass wir ernsthaft an unsere Grenzen kommen! Oder etwa doch?
Früher dachte ich immer, eine „echte Mama“ zu sein, bedeutet, mit Leib und Seele, mit Haut und Haaren vierundzwanzig Stunden am Tag seinen Nachwuchs um sich herum haben zu wollen. Nie laut zu werden, höchstens mal leise den Zeigefinger erheben, immer tiefenentspannt und gut gelaunt zu sein und dafür gerne seine eigenen Bedürfnisse in den Hintergrund zu stellen.
Heute weiß ich, dass dies ein ziemlich hoher Anspruch ist, den ich nicht erfüllen kann. Die Frau in mir, die ich schon zu kinderlosen Zeiten war, signalisiert mir sehr oft, dass sie auch noch Bedürfnisse hat, die nichts mit Kindererziehung und -bespaßung zu tun hat.
Eine Frau, die schnell an ihre Grenzen kommt und viele Pausen im Alltag braucht, um gerade dadurch ihren Kindern eine gute Mutter sein zu können. Eben, weil sie sich selbst nicht vergisst.
Und jederzeit tiefenentspannt und gut gelaunt zu sein, was würde das bedeuten? Es würde einen perfekten Zustand suggerieren, den es im echten Leben einer Mutter schlichtweg einfach nicht gibt! Nur leider kriegen wir schon als Schwangere mitgeteilt, dass nur das Optimale angemessen ist. Und fühlen uns direkt schuldig und als Versagerin, wenn mal wieder etwas nicht so läuft wie geplant.
Die Werbung suggeriert uns, wir bräuchten nur die eine bestimmte Windelmarke zu kaufen und schon schliefe unser Baby problemlos die Nächte durch. Mit Stillexperten und Ernährungsratgebern rund um Baby- und Beikost werden wir von allen Seiten nur so überschüttet und überhaupt: Wenn wir erst einmal Mutter sind, laufen wir sowieso nur noch breit grinsend durch die Gegend. Unzählige perfekt inszenierte Fotos auf diversen Mama-Blogs bestätigen das schließlich! Und das bisschen Haushalt werden wir ja wohl auch noch nebenbei mit Baby im Tragetuch bewältigen! Kann ja also eigentlich nix schiefgehen.
Und dann ertappen wir uns dabei, wie wir schon den dritten Tag hintereinander nicht duschen waren, die Schmutzwäscheberge sich vor der Waschmaschine türmen, so dass man nicht mal mehr die Klappe findet und das Baby die ganze Tagesplanung auf den Kopf stellt. Augenringe und aschfahle Gesichter von den vielen Schlaflosen Nächten inklusive, denn irgendwie scheint das Kind nicht mitbekommen zu haben, dass wir die teuren Premium-Windeln besorgt haben.
Fünf Jahre später haben sich die Umstände auch nicht sonderlich verändert. Duschen ist zwar morgens für ein paar Minuten wieder drin, solange der Nachwuchs noch schläft oder der Mann sich um ihn kümmert, aber der Rest ist irgendwie noch gleich. Die Kinder bestimmen immer noch den Tagesablauf, die Augenringe sind auch immer noch da (aber immerhin benutzen wir jetzt Abdeckstifte) und irgendein Wäscheständer ist auf den schönsten Kinderfotos im Hintergrund immer zu entdecken.
Und jetzt sollen wir uns das Leben extra noch schwerer machen, indem wir uns selbst jeden Tag diverse Male mit Vorwürfen oder Gewissensbissen überschütten?
Es wird Zeit, dass wir uns nicht mehr verstecken!
Weder vor unseren eigenen Gefühlen, die manchmal den ganzen Kinderzirkus um uns herum leid sind, noch vor unserer Familie, unseren Freunden und dem Rest der Gesellschaft!
Wenn ich eines gelernt habe in den letzten fünf Jahren meines Mamaseins, dann das:
Eine echte Mama ist vor allem eine authentische Mama! Mit all ihren Träumen, Lebensansichten, Augenringen, Wäschebergen, Erziehungsmethoden und negativen Gefühlen, die manchmal aufblitzen mögen.
Jede Mama ist einzigartig und jede Mama ist anders. Eben unperfekt. Und gerade deshalb so wundervoll und echt!