Die Mutterrolle wird ja gerne romantisch verklärt: Eine Mutter soll sich lächelnd und geduldig um die Kinder kümmern, sie erziehen, verpflegen, förderen. Und das bitte, ohne sich zu beklagen.
Als vor einigen Jahren eine Studie zeigte, dass es Frauen gibt, die ihre Mutterschaft bereuen, gab es einen großen Aufschrei und eine Debatte um #regrettingmotherhood. Die zentrale Frage der Studie lautete: „Wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten, würden Sie dann noch einmal Mutter werden, mit dem Wissen, das Sie heute haben?“
Die meisten von uns würden darauf bestimmt mit einem großen JA antworten. Trotz der Überforderung, trotz der fehlenden Work-Life-Balance, trotz der elenden Wutanfälle der Kinder und trotz der kaum vorhandenen Momente für uns selbst. Ja, wir lieben unsere Kinder. Ja, wir sind gerne Mütter. Aber verdammt nochmal, wir wollen trotzdem auch mal sagen dürfen, dass wir uns unzufrieden oder überfordert fühlen. Wir wollen Fehler machen dürfen. Ohne in die Schublade gepackt zu werden, eine schlechte Mutter zu sein.
Das Thema treibt auch Charity Beth um. Die amerikanische Geburtshelferin und zweifache Mutter hat dazu einen Facebook-Post geschrieben, der sich schneller als jede Grippewelle verbreitete. Ursprünglich war der Eintrag gar nicht öffentlich gepostet. Doch als einige Freundinnen kommentierten, sie würden den Text gerne teilen, machte Charity Beth ihn öffentlich sichtbar.
Was dann geschah, konnte sie selbst kaum glauben. Innerhalb weniger Tage bekam sie eine halbe Millionen Gefällt mir-Angaben und Reaktionen. Der Beitrag wurde mehr als 900.000 Mal geteilt. Offenbar hat sie in ihrem Text ausgedrückt, was viele Mütter endlich mal gesagt haben wollten:
„Wenn eine Mutter sagt, dass sie müde ist, ist das alles, was sie meint! Sie hat nicht gesagt, dass sie ihren Sohn fallen lassen und vergessen will, dass er existiert.
Wenn eine Mutter sagt, dass sie etwas Zeit allein haben möchte, nur sie, dann ist das alles, was sie meint! Sie sagt nicht, dass sie bereut, eine Mutter zu sein, und dass die Mutterschaft ein Fehler in ihrem Leben ist.
Wenn eine Mutter sagt, dass sie Hilfe braucht, um Dinge zu erledigen, dann meint sie das genau so! Sie sagt nicht, dass sie unfähig ist.
Wenn eine Mutter Nudeln zum Abendessen macht, bedeutet das nicht, dass sie an jeden Wochentag Nudeln macht und dass ihr Sohn/Tochter ein Kind ist, das kein Gemüse und Fleisch kennt.
Wenn du ins Haus einer Mutter kommst und dem Chaos gegenüberstehst, bedeutet das nicht, dass dieses Haus jeden Tag chaotisch ist.
Wenn eine Mutter sagt, dass sie gerne mit ihren Freunden ausgehen würde, ist das alles, was sie meint! Sie will nicht wieder „Single / keine Mutter“ sein und es genießen, als hätte sie keine Verantwortung.
Wenn eine Mutter sagt, dass sie besorgt und ängstlich ist, dann meint sie genau das! Sie hat nicht gesagt, dass sie scheitert und schon gar nicht, dass sie ein Feigling ist.
Wenn du hörst, wie eine Mutter laut wird, bedeutet das nicht, dass sie nur schreit, wahrscheinlich hat sie 300 Mal in normalem Ton gesprochen.
Wenn du eine nervöse Mutter siehst, die kurz vor dem Wahnsinn steht, heißt das nicht, dass sie jeden Tag in dieser Situation ist.
Es gibt einen Kontext, eine Gesamtsituation.“
Nachdem sie das also klargestellt hat, folgt ein Appell an alle, die gerne mit erhobenem Zeigefinger andere beurteilen:
„Verurteilt nicht so schnell, und schon gar keine Frauen, die jeden Tag und immer ihr eigenes Leben zurückstellen, um alles für ein kleines Wesen zu geben, von dem sie weiß, dass es viel wichtiger ist als sie selbst.
Es gibt auf der Welt niemanden, die so viel aufgibt, und so viel gibt, wie eine Mutter. Und sie verdient sehr viel Verständnis und weniger Verurteilung.“
Wenn wir ganz ehrlich sind, spüren wir oft genug auch die kritischen Blicke anderer Mütter auf uns. Mommy Wars gibt es überall. Der Appell gilt also genauso uns Müttern. Lasst uns nachsichtig miteinander sein. Lasst uns Verständnis zeigen. Wir wissen doch alle: Das Leben ist nicht perfekt – und eine Mutter ist es auch nicht. Keine von uns.
Text von Jenny Weber
Mehr über Jenny Weber:
Als Journalistin schreibe ich über Familie und andere spannende Sachen. Ich liebe echte Geschichten von Frauen, die etwas bewegen oder die von etwas bewegt werden. Ich lebe mit meiner Patchworkfamilie in Berlin. Seit der Geburt meiner Tochter versuche ich, meinen Teilzeit-Job in einer Agentur, mein selbstständiges Schreiben und meine Mutterrolle unter einen Hut zu bekommen. Meine kleine Tochter geht in die Kita, meine Stieftochter in die Schule.
[…] saß ich. Übermüdet, gestresst und vollkommen erledigt vom Alltag mit jetzt zwei Kindern. Sobald man das aber zugibt, […]
Ich bin 65 und habe 3 ( natürlich erwachsene) Kinder und kenne diese „wunden“ Punkte nur zu gut. Ich finde es richtig gut, das heute offen zu diskutieren – wir Mütter standen „damals“ diesbezüglich erst am Anfang – wir haben uns nur untereinander ähnlich ausgetauscht. Leichter wird es nur, wenn man ein Netzwerk um sich herum hat. Ich hatte das damals kaum bis gar nicht, sodass ich diese Gefühle gut nachvollziehen kann.
Heute bin ich vierfache Oma und freue mich immer sehr, wenn ich für meine Enkelkinder da sein und helfen kann. Mütter: baut euch ein Netzwerk auf und nutzt es!
Viele Grüße an alle in dieser Runde.
[…] ohne direkt als schlechte Mutter abgestempelt zu werden, verärgert nicht nur Mütter, wie die Journalistin Jenny Weber. Auch sie hat sich mit einem Text beschäftigt, der in kurzer Zeit rasend schnell verbreitet […]