Stellen wir uns eine Welt vor, in der kleine Mädchen mit dem unerschütterlichen Gefühl aufwachsen, alles erreichen zu können. Doch noch immer begegnen Mädchen Hürden, die oft unsichtbar, aber tief in unserer Gesellschaft verankert sind. Wie können wir sie so erziehen, dass sie sich nicht kleinmachen, sondern selbstbewusst ihren Weg gehen? Welche Botschaften, welche Vorbilder brauchen sie?
Genau darüber habe ich mit Dr. Annette Oschmann gesprochen – über die Macht der Erziehung, über unbewusste Prägungen und darüber, wie wir mit kleinen Veränderungen im Alltag Großes bewirken können. Dr. Annette Oschmann ist Autorin des Buchs „Mädchen stärken: Stärken fördern, Selbstwert erhöhen und liebevoll durch Krisen begleiten”*, die promovierte Juristin ist außerdem Coach und Mediatorin und arbeitet als Moderatorin in Kommissionen zu gesellschaftlich relevanten Themen des Kinder- und Jugendschutzes.
Echte Mamas: Dr. Annette Oschmann, welche Verhaltensweisen beobachten Sie verstärkt bei Frauen, die ihnen später hinderlich sind?
Dr. Annette Oschmann: Frauen zeigen oft andere Verhaltensweisen als Männer, was auf zahlreiche innere Prägungen und Glaubenssätze zurückzuführen ist. Dazu gehören Überzeugungen wie „Ich darf nicht anecken“, „Ich muss gefallen“, „Ich darf nicht enttäuschen“, „Ich muss es anderen recht machen“ und „Ich muss mich kümmern“. Diese Muster halten Frauen oft klein, da sie sich stärker auf andere fokussieren und sich selbst dabei verlieren. Zwar gibt es auch Männer mit ähnlichen inneren Prägungen, doch nach meiner Erfahrung treten sie gehäuft bei Frauen auf.
Echte Mamas: Was bedeutet das für die Erziehung von Töchtern?
Dr. Annette Oschmann: Diese Glaubenssätze werden häufig unbewusst von Generation zu Generation weitergegeben. Viele Frauen tragen sie auch noch mit 30, 40 oder 50 Jahren in sich, ohne sich dessen bewusst zu sein. Mütter geben diese Muster oft unbewusst an ihre Töchter weiter, nicht weil sie Fehler machen oder unwissend sind, sondern weil sie selbst so sozialisiert wurden. Eine Frau, die sich stets um andere kümmert und sich selbst zurücknimmt, lebt dieses Verhalten vor – ihre Tochter sieht es, übernimmt es und wächst mit dem Gefühl auf, dass dies „normal“ sei.
Es ist daher wichtig, sich über diese unbewussten Muster klar zu werden. Denn wenn wir sie verdrängen, sucht sich die Psyche oft andere Wege, sich Gehör zu verschaffen – etwa durch Erschöpfung, Burnout oder psychosomatische Beschwerden. Sich mit diesen Prägungen auseinanderzusetzen kann schmerzhaft sein, doch es lohnt sich. Viele Frauen haben nicht nur das Bedürfnis, sich selbst von diesen Zwängen zu befreien, sondern wünschen sich auch, ihren Kindern – insbesondere ihren Töchtern – eine stärkere und selbstbewusstere Basis mitzugeben.
Echte Mamas: Was sind typische Situationen, in denen versehentlich diese Prägungen weitergegeben werden?
Dr. Annette Oschmann: Typische Situationen, in denen Frauen unbewusst stereotype Glaubenssätze weitergeben, sind beispielsweise das Setzen von Grenzen oder die Übernahme von Verantwortung für die Gefühle anderer. Eine Mutter, die im Kindergarten oder in der Schule stets zu allen Bitten Ja sagt und sich überfordert, vermittelt ihrer Tochter, dass sie ebenso handeln sollte.
Auch neigen Frauen oft dazu, sich für die Emotionen anderer verantwortlich zu fühlen. Sie versuchen, anderen jedes unangenehme Gefühl abzunehmen, anstatt auch mal zuzulassen, dass ihr Gegenüber mit Enttäuschung oder Frust selbst umgehen muss.
Echte Mamas: Wie können wir es schaffen, unseren Töchtern neue Glaubenssätze mitzugeben?
Dr. Annette Oschmann: Kinder lernen nicht durch Worte, sondern durch Vorbilder. Wer seiner Tochter beibringen will, Grenzen zu setzen, muss dies selbst vorleben. Das Gleiche gilt für den Umgang mit emotionaler Verantwortung: Frauen sollten sich bewusst machen, dass sie nicht für das Glück anderer Menschen zuständig sind. Das bedeutet nicht, rücksichtslos zu handeln, aber zu erkennen, dass es nicht immer möglich ist, es allen recht zu machen.
Ein wichtiger erster Schritt ist es, die eigenen Glaubenssätze zu reflektieren und Verhaltensmuster bewusst zu hinterfragen. Besonders hilfreich ist es, sich Gedanken über das eigene Frauenbild zu machen: Welche Rolle möchte ich als Frau einnehmen? Welche Vorbilder habe ich? Sehe ich mich eher in einer traditionelleren Rolle oder möchte ich meinen eigenen Weg gehen?
Echte Mamas: Warum ist das Thema aktuell relevanter denn je?
Dr. Annette Oschmann: Auch aktuelle gesellschaftliche Trends, wie die sogenannte „Tradwife“-Bewegung, zeigen, dass viele Frauen sich wieder konservativeren Werten zuwenden. Dies geschieht oft aus einem Bedürfnis nach Sicherheit in einer zunehmend komplexen Welt. Gleichzeitig birgt ein solches Rollenbild Risiken – etwa finanzielle Abhängigkeit und Altersarmut.
Gerade im Trennungscoaching erlebe ich immer wieder, wie Frauen sich aus finanziellen Gründen nicht aus unglücklichen Beziehungen lösen können. Wer kein eigenes Einkommen hat oder sich komplett auf den Partner verlässt, gerät leicht in eine Abhängigkeit, die langfristig problematisch sein kann. Es ist daher essenziell, Mädchen zu stärken, ihnen Selbstbewusstsein mitzugeben und sie zu ermutigen, ihre eigenen Wege zu gehen –für ihre Zukunft und für ihr eigenes Wohlbefinden.

Dr. Annette Oschmann
Annette Oschmann ist Coach und Mediatorin, die Menschen in herausfordernden Lebenssituationen wie Trennungen und persönlichen Konflikten unterstützt. Sie arbeitet zudem als Moderatorin in Kommissionen zu gesellschaftlich relevanten Themen des Kinder- und Jugendschutzes. Bei ZONTA International setzt sich die promovierte Juristin für die Rechte von Mädchen und Frauen weltweit ein. Sie schreibt Bücher zu Familien- und Beziehungsthemen.
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