„Was machst du denn am Abend, wenn die Kinder im Bett sind, um zu entspannen?“, fragte mich gestern eine Mutter auf dem Spielplatz, als ich beiläufig erwähnte, dass wir keinen Fernseher besitzen. Nett gemeint, aber was soll ich als Alleinerziehende dazu sagen?
Entspannen, das ist für mich als Zweifach-Mama, wenn ich abends, sobald die Kinder im Bett sind, in Ruhe fünf Minuten im Badezimmer habe, um meine Zähne zu putzen, ohne dass jemand versucht, meine Zahnbürste zu fangen oder die Zahnpastatube auszulutschen.
Dass es ernsthaft Menschen gibt, die den Fernseher einschalten und die Füße hochlegen, das ist für mich fast schon surreal. Wenn meine zwei Kinder schlafen, schlafe ich auch. Oder ich arbeite. Oder ich mache den Haushalt. Oder ich dusche zur Abwechslung ganz alleine, ohne schreiendes Kind vor oder in der Dusche. Das mache ich aber wirklich nur, wenn ich einen richtig guten Tag hatte. Die Prozedur mit Heizung anstellen, ausziehen, abtrocknen, eincremen, anziehen ist mir abends oft zu anstrengend und raubt mir kostbare Zeit, die ich dafür verwenden könnte, zu schlafen, zu arbeiten oder den Haushalt zu machen.
Alleinerziehende sind einsam
Das so ein Leben einsam macht, versteht sich zwar von selbst, aber ich möchte es nochmal ausdrücklich betonen, weil es die meisten Menschen nicht verstehen können: Es macht einsam.
Viele Freunde habe ich nicht mehr, weil ich schlicht und einfach keine Zeit habe. Ich habe ja nicht mal Zeit für mich, wie soll ich da die anderen unterbringen? Ich habe keine Zeit, seitenlange WhatsApp-Konversationen zu führen. Ich habe keine Zeit, mich mal schnell oder langsam auf einen Kaffee zu treffen und ich habe, wenn ich ehrlich bin, auch keine Zeit, mich mit jemandem auf dem Spielplatz zu treffen, der mich in Gespräche verwickelt, aus denen ich nicht herausfinde, obwohl meine Tochter schon seit zehn Minuten an der Rutsche steht und möchte, dass ich ihre Hand halte. Denn dann möchte – nein, WILL ich – genau das tun: Die Hand meiner Tochter halten, weil sie ohnehin so wenig Zeit mit mir verbringen darf und ich meistens gestresst und genervt bin.
Alleinerziehende haben Zeitnot und ein schlechtes Gewissen
Schließlich fehlt uns jeden Tag mindestens eine Stunde. Nämlich die, in der bei „normalen“ Familien ein Erwachsener Essen vorbereitet, während der andere sich mit den Kindern beschäftigen kann. Wenn ich das Essen vorbereite – egal ob Frühstück, Mittagessen oder Abendbrot – müssen die Kinder eben alleine spielen. Alternativ spielt die Große alleine und der Kleine hängt auf meinem Arm, was die Sache mit dem Essen nicht unbedingt beschleunigt. Das sind immerhin sieben Stunden in der Woche, die fehlen. Dazu kommt die Zeit, die ich damit verbringe, zwischendurch was im Haushalt zu machen.
Nicht mit eingerechnet, weil man es vielleicht gar nicht aufwiegen kann, ist das schlechte Gewissen, das mein ständiger Begleiter ist. Das schlechte Gewissen, weil ich nie gut genug bin, um beiden gerecht zu werden. Weil ich nicht gleichzeitig das Baby stillen und der Großen den Po abwischen kann. Weil ich beim Verstecken spielen immer extra lange suche und währenddessen herumliegendes Spielzeug, Geschirr oder Essensreste wegräume. Weil meine Tochter manchmal, wenn sie krank ist, alleine zuhause bleiben muss, während ich in den Supermarkt hetze, weil ich nichts im Kühlschrank mehr habe, um ihr eine Suppe zu kochen. Weil ich die einzige Mutter bin, die beim Ballett nicht in der Garderobe bleibt, um bei der Trinkpause einen Kuss zu geben, sondern Erledigungen mache, wie Einkaufen, Post wegbringen, neue Regensachen besorgen.
Alleinerziehende haben zu viel Verantwortung auf einmal
Multi-Tasking ist mein zweiter Name, zumindest oft. Wenn man niemanden hat, mit dem man sich die täglichen Aufgaben teilen kann, dann muss man sie eben gleichzeitig erledigen. Die Buntstifte anspitzen, währenddessen das Bobby-Car durch die Wohnung ziehen und bei jeder Runde ein Feld meiner Steuererklärung ausfüllen? Läuft.
Es gibt einige Situationen, in denen es schief geht. Zum Beispiel, wenn ich versuche, meinem jüngsten Kind die Mütze anzuziehen, während ich die Treppe runter stürmte, weil ich wie immer spät dran bin und in der Hand zusätzlich noch Tasche, Mütze vom älteren Kind, Schlüssel und Portemonnaie halte. Na ja, probiert es besser nicht aus.
Einer meiner Favoriten ist auch: Das Essen brennt gerade auf dem Herd an, weil meine Tochter beim Spielen von der Couch gefallen ist. Der Feueralarm geht los, mein Sohn brüllt. Feueralarm wieder ausmachen, Tochter beruhigen, Baby beruhigen. Oh, Baby hat die Windel vollgemacht. Ab zum Wickeln, das bei einem quirligen Baby durchaus 20 Minuten dauern kann. Bis wir alle zum Essen am Tisch sitzen ist das Essen nicht mehr nur angebrannt, sondern angebrannt und kalt.
Alleinerziehende müssen alleine gegen das Chaos kämpfen
Oh, und pinkeln muss ich schon seit mindestens einer Stunde. Das ist übrigens ein Satz, den ich zu fast jeder Tageszeit sagen kann, jeden Tag. Dieses körperliche Bedürfnis muss warten, nicht nur, weil ich weiß, dass mir mindestens (!) ein Kind auf die Toilette folgt und wahlweise die Klobürste in den Mund steckt, versucht, aufs Waschbecken zu hüpfen und das Zimmer zu fluten oder das Klopapier abrollt und in der ganzen Wohnung verteilt.
Es wäre nicht das erste Mal, dass just in dem Moment der Postbote vor der Tür steht, dem ich übrigens auch schon mal im BH die Tür geöffnet habe. Weil ich das Päckchen dringend brauchte und mich mein Sohnemann vor wenigen Minuten komplett vollgespuckt hatte, aber die Wäsche noch nicht trocken war. Willkommen im völlig chaotischen Leben einer Alleinerziehenden!
Vielleicht könnte ich wirklich die Prioritäten anders setzen. Meine Tochter zum Beispiel noch ein paar Stunden länger in der KiTa lassen oder meinen knapp einjährigen Sohn in die Krippe bringen, anstatt zu arbeiten, wann immer er schläft. Aber das wäre für uns nicht richtig. Ich verbringe gerne Zeit mit meinen Kindern und liebe sie abgöttisch. Und so werde ich mich auch die nächsten Tage, Wochen, Monate, Jahre weiter aufreiben – zwischen Job, Haushalt und Kindern. Ich werde weiterhin unendlich müde und völlig kaputt sein, gute und schlechte Tage haben, und ohne absehbares Happy End auch mittelfristig keinen Fernseher kaufen.