Das Schuljahr neigt sich dem Ende zu und die Sommerferien stehen vor der Tür. Eigentlich eine schöne Zeit, wenn vorher nicht noch die Zeugnisvergabe stattfinden würde, die viele Familien stresst. Denn während die guten Schüler*innen es kaum erwarten können, ihr Zeugnis abzuholen, gibt es natürlich auch die Kinder, die ein schlechtes Zeugnis entgegennehmen müssen.
Wenn Kinder sich wegen ihrer Noten nicht nach Hause trauen
Eigentlich kaum vorstellbar, aber leider noch immer traurige Realität: Der Druck ist für manche Kinder so groß, dass sie sich mit ihrem Zeugnis nicht nach Hause trauen. In Berlin gibt es für Schüler*innen, die Angst vor der Reaktion der Eltern haben oder selbst sehr unter den schlechten Noten leiden, sogar extra ein Sorgentelefon.
Eigentlich banal, wie viel Verzweiflung (oder Glücksgefühle) eine einfache Ziffer auf einem weißen Blatt Papier auslösen kann. Macht ein Bewertungssystem mit Schulnoten überhaupt Sinn? Es gibt durchaus Expert*innen, die daran berechtigte Zweifel haben. Einer von ihnen ist Pädagoge Björn Nölt. Mit der Zeit sprach er darüber, warum Zeugnisse mit Noten seiner Meinung nach dem Lernprozess schaden.
Auch Einserschüler könnten von einem neuen Bewertungssystem profitieren
Außerdem appelliert der Pädagoge noch mal an alle Eltern, die zu sehr auf die Noten ihrer Kinder fixiert sind: „Kein Mensch glaubt ernsthaft, dass ein Abiturdurchschnitt wirklich Auskunft darüber gibt, ob dieser Mensch gut Medizin oder Maschinenbau studieren kann.” Nölt argumentiert, dass Hochschulen, die eine Zulassung zum Studium nicht vom Notendurchschnitt abhängig machen, viel geringer Abbrecher-Quoten haben.
Brauchen wir eine neue Lernkultur?
Für Nölt sind das klare Indizien dafür, dass wir unsere klassischen Notensysteme abschaffen sollten. Die Voraussetzung dafür wäre aber eine ganz neue Lernkultur: „viel Feedback, viele Gespräche mit den Schülern, um Selbstreflexion und Eigenverantwortung zu stärken und darüber die Kinder und Jugendlichen in die Lage zu versetzen, ihre eigene Leistung einzuschätzen.”
Stattdessen würden viele Eltern den selbst erfahrenen Leistungsdruck in der Schule an ihre Kinder weitergeben. „Vieles, was an Druck und Leid im Zusammenhang mit Noten entsteht, geht von Eltern aus.” Das kann schlimme Folgen haben, denn viele psychische Probleme im Kinder- und Jugendalter lassen sich auf schulische Bewertungssysteme zurückführen. „Das ist ein Armutszeugnis.”
Wie Eltern am besten reagieren, wenn Kinder ein schlechtes Zeugnis bekommen
Doch egal, wie man zur Bewertung durch Schulnoten steht, aktuell gibt es sie leider noch. Wie können Eltern sich also verhalten, wenn ihr Kind mit schlechten Noten nach Hause kommt? Eine schwierige Situation, besonders, wenn es sich vielleicht sogar um das erste Zeugnis überhaupt handelt. Es ist dann besonders wichtig, dass die Erwachsenen sensibel reagieren und nicht noch mehr Druck aufbauen. Wie das gelingen kann, darüber schreibt Nicola Schmidt auf ihrem Instagram-Account „artgerechtprojekt”.
Sie rät Eltern, sich bewusst zu machen, dass das Kind an dieser Situation nicht Schuld sein kann. „Stattdessen dürfen wir davon ausgehen, dass das Kind es so gut gemacht hat, wie es ihm möglich war.” Mütter und Väter sollten daran denken, dass ihre Liebe zum Kind nicht an Leistung geknüpft ist – dieses Gefühl sollte das Kind auch nicht haben müssen.
„Das war für dich bestimmt nicht leicht.”
Eine einfühlsame Reaktion auf ein schlechtes Zeugnis könnte zum Beispiel der Satz sein: „Wow, das war für dich bestimmt nicht leicht, so ein Zeugnis entgegenzunehmen.” Als nächsten Schritt könnten Eltern das Kind in den Arm nehmen und dann in den kommenden Tagen gemeinsam mit ihm nach einer Lösung suchen, damit das nächste Schuljahr für alle besser läuft.
Wie reagierst du auf die Noten deines Kindes? Tausche dich darüber gerne in den Kommentaren aus, wir freuen uns!